Im Paradies deiner Kuesse
kamen sie nicht aus dem Fernsehen, sondern aus ihrer Erinnerung.
Finns Lächeln, als sie zusammen Feuer gemacht hatten. Wie er sie in der Gewitternacht in den Arm genommen hatte. Der verletzliche Ausdruck in seinen Augen, wenn er sie in seine Seele hatte blicken lassen.
Die Violinen spielten die Melodie, die ihren Auftritt einleitete. Zeit zu brillieren, auch wenn sie am liebsten weinend zusammengesunken wäre.
Als sie das letzte Mal an dieser Stelle stand, hatte sie geglaubt, alles über Sehnsucht und unerfüllte Liebe zu wissen. Wie naiv sie gewesen war! Nichts hatte sie gewusst. Jetzt aber hatte die Sehnsucht einen Namen.
Finn McLeod.
Und es gab nur eine Art, dem Ausdruck zu verleihen. Auch wenn sie ihre Geschichte nicht an die Presse verkaufte, sie hatte viel zu erzählen. Und als sie die Arme hob und sich auf die Zehenspitzen stellte, begann Allegra, genau das zu tun.
Finn rannte die leere Haupttreppe hinauf. Wo musste er noch einmal hin? Richtig: zweiter Rang, Loge siebenundneunzig. Heute Abend war die Oper ausverkauft. Bloß gut, dass Simon an allen strategischen Stellen Freunde hatte! Sonst hätte er diese Karte niemals bekommen.
Und gut, dass die Taxifahrer in London sich nicht zwanghaft an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielten. Sonst hätte die Fahrt von Heathrow nach Covent Garden um einiges länger gedauert.
Trotzdem wäre er beinah doch noch zu spät gekommen – und zum Umziehen hatte er auch keine Zeit gehabt. Ob wohl vor ihm schon einmal jemand in Cargohose und T-Shirt in die Oper gegangen war?
Schnell öffnete er die Tür zur Loge und stürzte hinein. Auf der Bühne tat sich schon etwas. Fieberhaft suchte er mit den Blicken nach ihr. Und obwohl er ihr Gesicht aus der Entfernung nicht erkennen konnte, brauchte er nur den Bruchteil einer Sekunde, um sie auszumachen. Diese Bewegungen kannte er – die Leidenschaft, die sie heute Abend ausstrahlte, ebenfalls.
Hinter ihm setzte unwilliges Gemurmel ein. „Hinsetzen! Sie sind nicht durchsichtig!“
Finn entschuldigte sich leise und setzte sich. Auch wenn er eigentlich gar nicht sitzen wollte. Am liebsten wäre er an diesem verdammten Balkon hinuntergeklettert und bis nach vorn zur Bühne gerannt.
Und was machte eigentlich dieser lange blonde Kerl dort? Der hielt besser seine Hände im Zaum, oder er sah sich gezwungen, seine Machete zu benutzen!
Hände weg, hätte Finn am liebsten gerufen. Die Frau gehört mir!
Doch das Wissen, dass er seine Chance gehabt und verspielt hatte, hielt ihn auf seinem Platz. Schon wenige Minuten später vergaß er seine Eifersucht auf Allegras Tanzpartner. Er sah ihn gar nicht mehr. Hatte nur noch Augen für sie. Natürlich hatte er gewusst, dass sie gut war. Aber das war mehr als gut!
Das ganze Publikum schien wie verzaubert. Kein Flüstern, kein Husten. Nicht einmal das leise Rascheln von Bonbonpapier.
Die Magie lag nicht allein in der Perfektion ihrer Bewegungen. Allie lebte ihre Rolle. Sie war die kleine Meerjungfrau. Ein unbezwingbarer freier Geist. Viel zu schade für den blinden Prinzen, der nicht einmal merkte, was für ein Juwel er vor sich hatte. Und als er sie verließ, fest überzeugt, dass sein Glück woanders lag, hätte Finn ihm am liebsten einen Hieb zwischen die Rippen versetzt.
Wie kannst du es wagen, ihr das Herz zu brechen? Du weißt nicht einmal, was du dir da entgehen lässt! Du bist viel zu feige, um die Augen zu öffnen – bis es irgendwann zu spät ist …
Hoffentlich war es noch nicht zu spät!
Als der Vorhang fiel, fühlte Finn sich so erschöpft, als hätte er einen Marathon hinter sich. Schließlich trat Allegra vor das Publikum – und niemanden hielt es mehr auf dem Platz. Der Begeisterungssturm schien kein Ende zu nehmen. Auch Finn applaudierte kräftig.
Doch irgendwann ebbte der Applaus ab, und die Menschen begannen, den Saal zu verlassen.
Nervös blickte Finn zum Vorhang. Er wollte nicht, dass sie dahinter verschwand. Was, wenn er keine Chance bekam, mit ihr zu sprechen? Wenn er nicht sagen konnte, was er ihr unbedingt sagen musste?
Hinter der Bühne würde er wohl kaum zu ihr durchdringen können. Dort wimmelte es nur so vor Künstlern und Sicherheitspersonal. Nein, jetzt oder nie!
Und Finn McLeod war definitiv der Typ für spontane Entscheidungen!
Als Allegra sich ein letztes Mal verbeugte, erregte ein erschrockener Aufschrei aus dem Publikum ihre Aufmerksamkeit. Durch die hellen Scheinwerfer konnte sie erst nichts erkennen. Doch Stephen und einige der
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