Im Profil des Todes
Seine Augen weiteten sich plötzlich. »Mein Gott, Sie sind ja Quinn. «
»Das ist kein Geheimnis. Ich hab mich Ihnen
vorgestellt. «
»Aber mir war nicht klar, dass Sie der Quinn sind. Man hört seit Jahren von Ihnen. Der Skelett-Mann. Vor drei Jahren waren Sie doch drüben im Coweta County, um zwei Skelette zu untersuchen, die dort gefunden
worden waren. Dann gab es noch diese Leiche in den Sümpfen von Valdosta. Da waren Sie auch. Und dann noch das Skelett in der Nähe von Chattanooga, das Sie ... «
»Spricht sich ganz schön rum, was?« Joe lächelte
gequält. »Man sollte meinen, es gäbe interessantere Gesprächsthemen. Und? Machen diese Geschichten
mich zu einer Art Legende? «
»Nein, die Leute betrachten Sie eher als Kuriosität. Sie suchen nach diesen Kindern, stimmt's? Die dieser
Fraser getötet hat und von denen keiner weiß, wo sie begraben liegen.« Er legte die Stirn in Falten. »Aber ist das nicht schon fast zehn Jahre her? Mich wundert, dass Sie nicht längst aufgegeben haben. «
»Die Eltern haben nicht aufgegeben. Sie wollen ihre Kinder richtig beerdigen.« Er warf einen Blick auf das Skelett. »Die meisten Opfer haben ein Zuhause und eine Familie. «
»Das stimmt.« Bosworth schüttelte den Kopf. »Kinder.
Ich werde nie verstehen, warum jemand ein Kind tötet.
Die Vorstellung macht mich ganz krank. «
»Mich auch.«
»Ich habe drei Kinder. Wahrscheinlich würde es mir genauso gehen wie diesen Eltern. Mein Gott, man
kann nur hoffen, dass man das nie durchmachen
muss.« Bosworth schwieg einen Augenblick. »Diese
Fälle sind nach Frasers Hinrichtung doch sicherlich abgeschlossen worden. Wirklich nobel von Ihnen, dass Sie Ihre Zeit opfern, diese Kinder zu suchen.«
Ein Kind. Das von Eve. »Hat nichts mit nobel zu tun.
Ich kann einfach nicht anders.« Er wandte sich ab.
»Vielen Dank für Ihre Geduld, Sheriff. Rufen Sie mich an, wenn ich zwischen dem Leichenbestatter und der Polizei von Atlanta vermitteln soll. «
»Ich wäre Ihnen sehr dankbar. «
Joe wandte sich zum Gehen, zögerte jedoch. Zum
Teufel mit seinem Bemühen, einem Kollegen nicht auf den Schlips zu treten. Der Sheriff war eindeutig
überfordert, und bis jemand eintraf, der sich
auskannte, konnte es zu spät sein, alle Beweismittel zu sichern. »Darf ich Ihnen ein paar Vorschläge
machen?«
Bosworth sah ihn misstrauisch an.
»Lassen Sie jemanden kommen, der die Leiche und
den ganzen Tatort fotografiert.
»Das hatte ich ohnehin vor.«
»Am besten sofort. Ich weiß, dass Ihre Leute sich alle Mühe geben, Beweismittel zu sichern, aber
wahrscheinlich zerstören sie mehr, als sie finden. Sie sollten einen Metalldetektor einsetzen, um
Beweismittel aufzuspüren, die noch in der Erde liegen.
Und holen Sie einen forensischen Archäologen, der das Skelett ausgräbt, und einen Entomologen, der
alles untersucht, was an toten Insekten und Larven da ist. Wahrscheinlich ist es zu spät für den Entomologen, aber man kann nie wissen. «
»Wir haben solche Leute hier gar nicht. «
»Die können Sie von einer Universität anfordern. So vermeiden Sie es, nachher dumm dazustehen. «
Bosworth dachte nach und sagte dann langsam:
»Vielleicht mach ich das.«
»Überlegen Sie es sich.« Joe ging den Hügel hinab zu seinem Wagen, der unten auf der Schotterstraße
geparkt war.
Schon wieder eine Niete; es war ohnehin nur ein
Schuss ins Blaue gewesen. Aber er hatte der Sache nachgehen müssen. Er musste jeder Spur nachgehen.
Eines Tages würde er Glück haben und Bonnie finden.
Ihm blieb nichts anderes übrig, er musste sie finden.
Bosworth schaute Quinn nach. Kein schlechter
Bursche. Vielleicht ein wenig zu kühl und beherrscht, aber das blieb wohl nicht aus, wenn man sich in der Großstadt mit all dem Abschaum herumschlagen
musste. Gott sei Dank hatte er hier draußen keine Verrückten. Nur vernünftige Leute, die sich bemühten, ein anständiges Leben zu führen.
Der Skelett-Mann. Er war nicht aufrichtig gewesen.
Quinn war tatsächlich eher eine Legende als eine
Kuriosität. Er war FBI-Agent gewesen, hatte aber den Dienst quittiert, nachdem Fraser hingerichtet worden war. Jetzt war er Detective bei der Kriminalpolizei Atlanta und dem Vernehmen nach ein guter Polizist.
Knochenhart und blitzsauber. In diesen Zeiten waren Polizisten in der Stadt zahlreichen Versuchungen
ausgesetzt, denen man sich nur schwer widersetzen konnte. Das war einer der Gründe, weswegen
Bosworth lieber im Rabun County blieb. Er wollte
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