Im Rausch der Ballnacht
ich bin nicht sicher, dass ich genauso leicht verzeihen könnte, wenn ich an deiner Stelle wäre.”
“Was soll ich nun tun?”, fragte Lizzie verzweifelt und dachte an die peinliche Situation, die ihr am nächsten Morgen bevorstand. “Mama und Papa werden nach Adare gehen und dem Earl und der Countess erklären, ich sei die Mutter von Tyrells Sohn. Es gibt keine Möglichkeit, sie daran zu hindern. Ich werde in eine absolut peinliche Lage geraten. Aber wir können nicht Annas Leben zerstören. Was soll ich nun tun?”, wiederholte sie.
Georgie setzte sich. “Wie kompliziert das alles ist. Du hast recht. Natürlich müssen wir Anna schützen. Und weder Mama noch Papa werden sich aufhalten lassen. Da habe ich wenig Hoffnung.” Sie sah Lizzie an. “Du Arme! Tyrell wird dich für eine schreckliche Lügnerin halten.”
Lizzie nickte. “Und schon jetzt hat er keine sehr hohe Meinung von mir.”
“Das alles ist so unfair”, meinte Georgie.
“Ich glaube nicht, dass es eine andere Lösung gibt”, sagte Lizzie.
“Nicht wenn wir Annas Leben nicht ruinieren wollen.”
Die Schwestern sahen einander an. Georgie erhob sich. “Du bist einfach zu gut für diese Welt, Lizzie”, sagte sie. “Vielleicht wird Tyrell das eines Tages erkennen.”
Das bezweifelte Lizzie.
Die ganze Nacht über hatte sie keinen Schlaf gefunden. Jetzt saß sie mit ihren Eltern in einem üppig ausgestatteten Salon, die Hände im Schoß, und wartete auf den Earl und die Countess von Adare. Etwas abseits saß Ned mit Rosie auf einem Stuhl. Bei ihrer Ankunft hatte Papa dem Butler seine Karte gegeben und gesagt, er müsse mit dem Earl sprechen.
Lizzie wusste sehr gut, dass der Earl den Butler mit irgendeiner Ausrede zurückschicken konnte, wenn er sie nicht empfangen wollte. Aber Adare war bekannt dafür, großzügig und mitfühlend zu sein, ein echter Ehrenmann. Zwar verkehrte Papa kaum in denselben Kreisen, aber Mama behauptete, es gäbe eine entfernte Verwandtschaft zu einem der Stiefsöhne des Earls, Devlin O’Neill. Allem Anschein nach konnten sie ihre Abstammung auf Gerald Fitzgerald zurückführen, den berüchtigten Earl of Desmond, nach dem Papa benannt worden war. Diese Verbindung und der Umstand, dass sie Nachbarn waren, brachten Lizzie zu der Überzeugung, dass man sie empfangen würde.
Schritte erklangen, offensichtlich die einer Frau. Lizzie erschrak, als die beiden großen Eichentüren geöffnet wurden. Zusammen mit dem Butler erschien die Countess.
Lizzie fühlte sich, als würde ihr das Herz stehen bleiben. Sie stand auf und knickste, genau wie Mama, während Papa sich verbeugte. Die Countess war an der Tür stehen geblieben, ein Lächeln auf dem schönen Gesicht. Sie hatte dunkelblondes Haar, aber eine sehr helle Haut, und die blauen Topase, die sie trug, passten genau zur Farbe ihrer Augen.
Papa räusperte sich, und Lizzie erkannte, dass er nervös war. “Mylady”, sagte er, “eigentlich hatte ich gehofft, den Earl sprechen zu dürfen.”
Die Countess nickte ihm zu und sah dann ein wenig verwirrt zu Rosie und Ned. “Mein lieber Mr. Fitzgerald, wie geht es Ihnen? Wie schön, dass Sie uns einen Besuch abstatten. Gern unterhalte ich mich mit Ihnen, aber ich bedaure, dass mein Gemahl im Augenblick unabkömmlich ist. Sicher haben Sie gehört, dass wir sehr viele Gäste im Haus haben.”
“Ja, natürlich habe ich das gehört”, entgegnete Papa förmlich. “Mylady, bedauerlicherweise muss ich mit dem Earl sprechen. Dies ist leider kein Höflichkeitsbesuch. Ein großes Unrecht ist geschehen, das nur er richten kann.”
Die Countess hob die Brauen. Sie schien nicht sehr beunruhigt zu sein, vielleicht glaubte sie, Papa neige zu Übertreibungen, so wie sein berüchtigter Vorfahre. Oder vielleicht lag es auch einfach in ihrer Natur, ruhig und gelassen zu wirken. Gegen ihren Willen war Lizzie beeindruckt von der großartigen Haltung und der Würde der Lady. “Ein Unrecht? Ich verstehe nicht ganz, wovon Sie sprechen. Es tut mir sehr leid, aber ich kann meinen Gemahl im Augenblick nicht stören. Würde es Ihnen etwas ausmachen, ein andermal wiederzukommen?” Sie schenkte Papa ein reizendes Lächeln.
“Dann werde ich, so fürchte ich, Sie mit den schockierenden Neuigkeiten belasten müssen.”
Jetzt wirkte die Countess ein wenig verwundert. Dennoch lächelte sie, als sie sagte: “Sollte ich mich setzen?”
“Ich denke, das sollten Sie”, meinte Papa ernst und rückte ihr einen Stuhl zurecht.
Das Lächeln verschwand,
Weitere Kostenlose Bücher