Im Rausch der Ballnacht
den anderen Gästen getrennt hatten, um sich allein zu unterhalten.
Lizzie sah zu ihnen hinüber. Die beiden Frauen plauderten lebhaft und zupften sogar an Blanches Hand. Lizzies Herz schlug schneller.
Auf keinen Fall, sagte sie sich, darf ich lauschen. Doch ihre Füße setzten sich wie von selbst in Bewegung, und dann stand sie auch schon hinter einer anderen Säule, derjenigen, die sich direkt in Blanches Rücken befand.
“Blanche, erzähl uns doch schnell, wie die Kutschfahrt verlief.”
“Es war ein angenehmer Ausflug, Bess”, erwiderte Blanche lächelnd.
“Ein angenehmer Ausflug?”, rief die rothaarige Bess aus. “Blanche, er sieht doch so schrecklich gut aus und ist so galant! Hat er dich geküsst? Du musst die Wahrheit nicht verheimlichen!”
Lizzie schloss die Augen und sagte sich, dass sie die Qualen verdiente, die sie gerade erlitt, weil sie tatsächlich spionierte. Allein der Gedanke, dass Tyrell eine andere Frau in die Arme schloss, genügte, um sie zum Weinen zu bringen.
“Das würde ich nie tun”, sagte Blanche. Es klang leicht belustigt. “Nein, er hat mich nicht geküsst, und zwar, weil er der perfekte Gentleman ist, genau wie Vater es gesagt hat.”
Die beiden anderen Damen tauschten einen Blick. “Jetzt musst du nicht so ruhig sein!”, rief die Brünette aus. “Bist du nicht aufgeregt, nun, da du ihn gesehen hast? Er gehört zu der Sorte Mann, die jede Frau begehrt, und er gehört dir!”
“Ich darf mich sehr glücklich schätzen”, stimmte Blanche zu. “Und ich muss Vater sehr dankbar sein, denn er hat sich wirklich bemüht, mir einen so wundervollen Gemahl zu suchen. Aber genug jetzt. Es ist sehr unhöflich, wenn wir uns so von dieser Soirée entfernen.” Und damit gingen die Ladys Arm in Arm zurück zu den Gästen.
Lizzie sagte sich, sie sollte zufrieden sein. Blanche war elegant, wunderschön und, wie es schien, auch freundlich. Lizzie zweifelte nicht, dass sie eine gute Ehefrau und Mutter sein würde und eine gute Countess. Es war eine passende Verbindung.
Sie wollte sie hassen, aber es gelang ihr nicht. Denn sie fand keinen Grund dafür.
Ihre Überlegungen wurden unterbrochen von dem Gefühl, beobachtet zu werden.
Rasch blickte Lizzie über die Menge hinweg. Auf der gegenüberliegenden Seite des Saals stand vor einer anderen Tür … Tyrell. Und er hatte sie gesehen, denn er blickte direkt zu ihr hin.
Lizzie dachte daran, fortzulaufen und sich zu verstecken. Aber es war zu spät. Er kam schon auf sie zu.
Und er sah nicht sehr erfreut aus.
14. KAPITEL
E in beunruhigendes Versprechen
Lizzie zögerte nicht. Sie machte kehrt und lief hinaus in den Korridor. Nur durch eine weitere Tür musste sie noch gehen, dann war sie im Gästetrakt des Hauses. Lizzie trat ein, und im selben Augenblick glaubte sie, in Sicherheit zu sein.
Da packte Tyrell ihre Schulter.
“Ich dachte, ich hätte nicht recht gesehen”, sagte er ungläubig und drehte sie herum, sodass sie einander direkt gegenüberstanden.
Hinter ihrem Rücken fühlte Lizzie die Wand. “Ich kann es erklären”, rief sie aus.
“Sie können erklären, warum Sie auf meinem Verlobungsball anwesend sind?”, fragte er wütend. “Ist es zu viel verlangt, von Ihnen etwas Respekt für meine Familie zu erwarten?”
“Es war nie meine Absicht, respektlos zu sein”, sagte Lizzie bedrückt. Ihre Blicke begegneten sich. Lizzie wäre es am liebsten gewesen, sie hätte nie gewagt, auf den Ball zu gehen. Und außerdem war sie traurig und wünschte, dass er sich nicht verloben würde, nicht jetzt, niemals. Wie dumm sie war.
“Ich mag es nicht, wenn Sie mich ansehen, als wäre ich derjenige, der Ihnen ein Unrecht angetan hat!”, rief er aus. “Warum spionieren Sie Lady Blanche nach? Versuchen Sie ja nicht, das zu leugnen, denn ich habe Sie hinter der Säule gesehen und auch, wie Sie sie und ihre Freundinnen belauscht haben.”
“Ich leugne gar nichts!”, stieß Lizzie hervor. “Ich wollte sie mit eigenen Augen sehen. Ich hatte gehört, dass sie sehr schön sein soll, und es stimmt, was die Leute sagen.”
“Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, jetzt zu weinen, dann überlegen Sie es sich lieber noch einmal”, meinte er. “Weder durch Ihre Tränen noch durch Ihre Blicke werde ich mich rühren lassen!”
Seine Worte erschienen ihr ein wenig seltsam, aber darüber konnte sie jetzt nicht nachdenken. Stattdessen versuchte sie, Haltung zu bewahren. “Es tut mir sehr leid, dass ich hierher auf den Ball gekommen bin.
Weitere Kostenlose Bücher