Im Reich des Wolfes
benutzen?«
»Du kennst die Antwort auf die letzte Frage, Schamane - nein. Sonst wärst du schon vor Jahren hergekommen. Niemand weiß, was die Älteren vernichtet hat. Man weiß nur, daß es Gegenden schrecklicher Verödung gibt, wo einst mächtige Städte waren. Alles, was wir von ihnen wissen, spricht von Verderbnis und Gier, ungeheurem Bösen und schrecklichen Waffen. Selbst deine Bösartigkeit schreckt vor ihren Untaten zurück. Ist es nicht so?«
Kesa Khan nickte. »Ich bin über die Pfade der Zeit gewandert, Priester. Ich weiß, was sie vernichtet hat. Und ich will ihre Rückkehr nicht erleben. Sie vergewaltigten das Land und lebten wie Könige, während sie die Flüsse und Seen, die Wälder, ja, selbst die Luft verpesteten, die sie atmeten. Sie wußten alles und verstanden nichts. Und deswegen wurden sie vernichtet.«
»Aber ihr Nachlaß lebt hier weiter«, sagte Dardalion leise.
»Und an anderen geheimen Orten, die noch nicht gefunden wurden.«
Dardalion kniete vor dem Feuer nieder und legte Holz nach. »Wie dem auch sei, wir müssen den Kristall zerstören. Zhu Chao darf ihn nicht in die Hände bekommen.«
Kesa Khan nickte. »Wenn die Zeit da ist, werden wir ihn aufsuchen.«
»Warum nicht jetzt?«
»Vertrau mir, Dardalion. Ich bin viel älter als du und bin über Pfade gewandelt, die deine Seele zu Asche verbrennen würden. Jetzt ist nicht die richtige Zeit.«
»Was soll ich tun?«
»Such dir einen stillen Platz und schicke deinen Geist auf die
Suche nach Waylander. Schirme ihn ab, wie du es früher schon getan hast. Schütze ihn vor der Zauberei Zhu Chaos. Gib ihm seine Chance, das Ungeheuer zu töten.«
Vishna saß auf der Wehrmauer des höchsten Turms, Ekodas neben ihm. Der gothirsche Adelige mit dem gegabelten Bart seufzte. »Meine Brüder könnten dort unten sein«, sagte er.
»Dann laß uns beten, daß es nicht der Fall ist«, sagte Ekodas.
»Ich glaube, wir hatten unrecht«, meinte Vishna leise, »und du hattest recht. Dies ist keine Art, der QUELLE zu dienen. Ich habe bei dem Angriff gestern zwei Männer getötet. Ich wußte, daß sie böse waren. Ich spürte, wie es von ihnen ausstrahlte. Aber diese Tat hat mich erniedrigt. Ich kann nicht mehr glauben, daß die QUELLE von uns wünscht, daß wir töten.«
Ekodas streckte die Hand aus und legte sie seinem Freund auf die Schulter. »Ich weiß noch nicht, was die QUELLE verlangt, Vishna. Ich weiß nur, daß wir gestern eine Schar von Frauen und Kindern beschützten. Das bedaure ich nicht. Aber daß wir töten mußten, bedaure ich bitter.«
»Aber warum sind wir hier?« rief Vishna. »Um die Geburt eines Kindes zu sichern, das letztendlich alles zerstören wird, was meine Familie seit Generationen aufbaut? Das ist doch Wahnsinn!«
Ekodas zuckte die Achseln. »Hoffen wir, daß es einem größeren Zweck dient. Aber ich glaube, es reicht, die Bruderschaft in die Schranken zu weisen.«
Vishna schüttelte den Kopf. »Nur noch elf von uns sind übrig. Glaubst du, wir könnten noch einen großen Sieg erringen?«
»Vielleicht. Warum gehst du nicht Dardalion suchen? Betet zusammen. Das wird helfen.«
»Nein. Wird es nicht. Diesmal nicht, Bruder«, erwiderte Vishna traurig. »Ich bin ihm mein ganzes Erwachsenenleben hindurch gefolgt, und ich habe die große Freude der Kameradschaft kennengelernt - mit ihm, mit euch allen. Ich habe bis jetzt niemals gezweifelt. Aber dies ist ein Problem, das ich allein lösen muß.«
»Was es auch wert sein mag, mein Freund, ich glaube, es ist besser, im ungewissen zu bleiben. Mir scheint, daß die meisten Probleme dieser Welt von Männern verursacht werden, die sich zu sicher waren, Männer, die stets wußten, was richtig ist. Die Bruderschaft wählte einen Weg aus Schmerz und Leid. Natürlich nicht ihr eigenes. Sie ritten in das Tal, um Frauen und kleine Kinder abzuschlachten. Vergiß das nicht!«
Vishna nickte. »Du hast wahrscheinlich recht, Ekodas. Aber was mache ich, wenn einer meiner Brüder mit dem Schwert in der Hand über diese Mauer klettert? Was soll ich dann tun? Er gehorcht den Befehlen seines Kaisers, wie es alle guten Soldaten tun müssen. Soll ich ihn töten? Stürze ich ihn in den Tod?«
»Ich weiß es nicht«, gab Ekodas zu. »Aber wir sehen uns genügend realen Gefahren gegenüber, ohne daß wir noch neue schaffen müßten.«
»Ich möchte gern allein sein, mein Freund. Nimm mir das bitte nicht übel.«
»Ich nehme es dir nicht übel, Vishna. Mögen deine Betrachtungen dir Frieden
Weitere Kostenlose Bücher