Im Reich des Wolfes
hatte ihm von dem tragischen Verrat berichtet, der mit dem Tod von Karnak endete. Asten hatte schweigend zugehört, war dann aufgestanden und auf den Krieger der Bruderschaft zugetreten. Plötzlich packte er Galen bei den Haaren und riß seinen Kopf zurück. Ein Messer blitzte auf. Blut schoß aus Galens Kehle. Zhu Chao hatte alles mit angesehen - den sterbenden Krieger, der zu Boden fiel, den untersetzten General, der über ihm stand.
Zhu Chao schauderte. Alles lief verkehrt.
Und wo war Waylander?
Dreimal hatte er den Suchzauber gesprochen. Dreimal hatte er versagt. Aber heute abend wird alles wieder gut, beruhigte er sich. Der Vorabend von Mittwinter und das große Opfer. Macht wird mich durchströmen, das Geschenk des Chaos wird mein sein. Dann werde ich Kesa Khans Tod verlangen. Morgen wird der ventrische König tot sein. Seine Truppen werden sich an die Bruderschaft als ihre Führer wenden, ebenso die Drenaisoldaten. Galen war nicht der einzige loyale Ritter unter ihnen. Asten würde sterben, genau wie der Kaiser.
Drei Reiche würden eins.
Dann gelten für mich nicht mehr die kleinlichen Titel König oder Kaiser. Mit dem Kristall in meinen Händen werde ich der Göttliche Zhu Chao sein, Herrscher über alles, König der Könige. Der Gedanke gefiel ihm. Er warf einen Blick auf die nächste Mauer, beobachtete die Soldaten, die über die Brüstung marschierten. Starke Männer. Treu. Loyal. Ich bin sicher, sagte er sich noch einmal.
Er blickte zu dem links von ihm liegenden Turm. Der Soldat saß mit dem Rücken nach außen. Und schlief! Zorn flackerte auf. Zhu Chao pulste ihm einen Befehl zu, doch der Mann regte sich nicht. Der Zauberer rief in Gedanken Casta, den Hauptmann der Wache.
»Ja, Herr?« kam die Antwort.
»Die Wache auf dem Ostturm. Laß den Mann in den Hof bringen und auspeitschen. Er schläft.«
»Sofort, Herr.«
Wie sicher bin ich, wenn mich solche Leute bewachen? »Und noch etwas, Casta!«
»Ja, Herr?«
»Wenn er ausgepeitscht wurde, schneide ihm die Kehle durch.« Zhu Chao machte auf dem Absatz kehrt und ging in seine Wohnräume zurück. Seine gute Stimmung war dahin. Er hatte das Verlangen nach Wein, hielt sich jedoch zurück. Heute abend mußte das Opfer ohne jeden Fehler dargebracht werden. Er dachte an Karnak in Ketten, an das gekrümmte Opfermesser, das sich langsam in die Brust des Drenais bohrte. Seine Stimmung hob sich.
Dies ist mein letzter Tag als Diener anderer, dachte er. Ab morgen früh werde ich der Herrscher der drei Reiche sein.
Nein, nicht ehe der Kristall in deiner Macht ist. Denn nur dann erlangst du Unsterblichkeit. Nur dann wirst du wieder vollständig sein. Ein Muskel an seinem Kinn zuckte, und er sah wieder das unheilige Feuer und den scharfen kleinen Dolch in Kesa Khans Hand. Haß durchströmte ihn, und Scham stieg ihm wie Säure in die Kehle.
»Du wirst dein Volk sterben sehen, Kesa Khan«, zischte er. »Jeden Mann, jede Frau, jedes Kind. Und du sollst wissen, wer dafür verantwortlich ist. Das ist der Preis für das, was du mir gestohlen hast!«
Seine Erinnerungen hallten wider von dem erlittenen Schmerz und den Monaten des entsetzlichen Leidens, die auf seine Verstümmelung gefolgt waren. Aber der Kristall würde alles ändern. Das Dritte Buch der Beschwörungen sprach davon. Einst hatte man einen alten Ritter, dem eine Lichtwaffe den Arm abgehackt hatte, in die Kammer gebracht. Man hatte ihn auf ein Bett gelegt und die Macht des Kristalls entfaltet. In nur zwei Tagen war aus dem Stumpf ein neuer Arm gewachsen.
Aber besser noch - dem Vierten Buch der Beschwörungen zufolge hatten sich die Führer der Rasse der Alteren durch den Kristall verändern lassen; sie hatten ihre alten Körper wieder jung gemacht. Zhu Chaos Kehle war trocken, und jetzt gab er der Versuchung eines kleinen Bechers Wein nach.
»Herr! Herr!« pulste Casta. Angst lag in seiner Geiststimme.
»Was ist?«
»Der Wächter ist tot, Herr! Er hat einen Armbrustbolzen im Herzen. Und am Turm sind Spuren eines Enterhakens.«
»Er ist hier!« kreischte Zhu Chao auf. »Waylander ist hier!«
»Ich kann dich nicht hören, Herr«, pulste Casta.
Zhu Chao kämpfte Zorn und Angst nieder. »Hol die Männer von den Mauern. Durchsucht den Garten. Findet den Attentäter!«
Die ölgetränkte Fackel warf verrückte Schatten an die rauhen Wände des Treppenhauses, und schwarzer Rauch stieg in Angels Nase, als er die Treppen hinabstieg. Er hatte Angst wie nie zuvor. Es war die Angst vor dem Tod. Nicht vor
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