Im Reich des Wolfes
gebunden.
»Das ist kein Ort für einen Priester!« sagte er.
Ekodas ging weiter und blieb direkt vor dem Mann stehen. »Der Wald ist ein wundervoller Ort zum Meditieren, Bruder.« Er spürte die Verwirrung des Mannes. In ihm war nicht viel Böses, doch seine Lust war entfacht und hatte seinen Verstand umnebelt. Er wollte die Frau, und in seinen Gedanken brodelten erotische Bilder.
Der zweite Mann drängte sich nach vorn. Er war kleiner und stämmiger, die Augen klein und rund. »Scher dich dahin, wo du herkommst!« befahl er. »Ich lasse mich von deinesgleichen nicht beiseite schieben.«
»Was ihr vorhabt, ist böse«, sagte Ekodas leise. »Ich kann es nicht zulassen. Wenn ihr dieser Schlucht folgt, kommt ihr auf die Straße nach Estri. Das ist ein kleines Dorf. Soviel ich weiß, gibt es dort eine Frau, die für Männer mit Geld ein besonderes Lächeln hat.«
»Ich weiß, wo Estri ist«, zischte der zweite Mann. »Und wenn ich deinen verdammten Rat haben will, werde ich dich fragen. Weißt du, was das ist?« Sein Messer zuckte hoch und hielt vor Ekodas' Gesicht inne.
»Ich weiß, was das ist, Bruder. Warum zeigst du es mir?«
»Bist du blöd?«
Der erste Mann nahm seinen Freund beim Arm. »Laß doch, Caan. Es spielt keine Rolle.«
»Für mich schon. Ich will diese Frau.«
»Du kannst doch keinen Priester töten!«
»Das siehst du doch!« Das Messer fuhr hoch. Ekodas wich aus, packte das Handgelenk des Mannes und verdrehte den Arm nach hinten. Sein Fuß stieß vor und hakte sich hinter das Knie des Messerstechers. Der Waldarbeiter verlor den Halt. Ekodas ließ los, und der Mann fiel zu Boden.
»Ich habe nicht den Wunsch, dir weh zu tun«, sagte Ekodas.
Der Mann kam auf die Füße und griff erneut an. Ekodas fegte den Waffenarm beiseite und ließ seinen Ellbogen gegen das Kinn des Mannes krachen. Er ging zu Boden wie von einer Axt gefällt.
Ekodas wandte sich an den ersten Mann. »Bring deinen Freund nach Estri«, riet er ihm. »Und wenn ihr dort seid, verabschiede dich von ihm. Er bringt das Schlechteste in dir zum Vorschein.« Er ging an dem Mann vorbei und auf die Nadirfrau zu. »Ich grüße dich, Schwester. Wenn du mir folgst, bringe ich dich für die Nacht zu einer Unterkunft. Es ist ein Tempel, und die Betten sind hart, aber du wirst gut und ohne Angst schlafen können.«
»Ich schlafe immer ohne Angst, wo ich auch bin«, sagte sie. »Aber ich komme mit dir.«
Ihre Augen waren schön und dunkel, ihre Haut blaß, doch mit einem goldenen Schimmer angehaucht. Ihre Lippen waren voll, der Mund breit. Ekodas merkte, wie ihm die Bilder aus den Gedanken des Waldarbeiteres in den Sinn kamen. Er wurde rot und begann den langen Aufstieg.
»Du kämpfst gut«, sagte sie und schloß zu ihm auf. Ihr Messer steckte jetzt in einer Ziegeniederscheide. Über die Schultern hatte sie einen kleinen Ranzen geschlungen.
»Bist du weit gereist, Schwester?«
»Ich bin nicht deine Schwester«, betonte sie.
»Alle Frauen sind meine Schwestern. Alle Männer meine Brüder. Ich bin ein Priester der QUELLE.«
»Dein Bruder da unten hat einen gebrochenen Kiefer.«
»Das tut mir leid.«
»Mir nicht. Ich hätte ihn getötet.«
»Ich heiße Ekodas«, sagte er und hielt ihr die Hand hin. Die Frau beachtete sie nicht und ging voran.
»Ich heiße Shia.« Sie erreichten den gewundenen Pfad zum Tempel, und sie warf einen Blick auf die hohen Steinmauern. »Das ist eine Festung«, stellte sie fest.
»Das war es einmal. Jetzt ist es ein Ort des Gebets.«
»Es ist immer noch eine Festung.«
Die Tore standen offen, und Ekodas führte die Frau hinein. Vishna und einige andere Priester holten Wasser vom Brunnen. Shia blieb stehen und starrte sie an. »Habt ihr keine Frauen für diese Arbeit?« fragte sie Ekodas.
»Hier gibt es keine Frauen. Ich sagte doch, wir sind Priester.«
»Und Priester haben keine Frauen?«
»Genau.«
»Nur Schwestern?«
»Ja.«
»Dein kleiner Stamm wird nicht lange überleben«, sagte sie mit einem tiefen, kehligen Lachen.
Die Schreie erstarben, und der Sklave ließ nur noch ein heiseres, ersticktes Todesröcheln hören. Seine Arme entspannten sich, so daß er in den Ketten zusammensackte; seine Beine zuckten in Krämpfen. Zhu Chao stieß das Messer durch die Rippen, durchtrennte die Arterien des Herzens und riß das Organ heraus. Er trug es zur Mitte des Kreises, wobei er sorgsam über die Kreidelinien trat, die auf die Steine gemalt waren, im Zickzack zwischen den Kerzen und den Golddrähten, die
Weitere Kostenlose Bücher