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Im Reich des Wolfes

Im Reich des Wolfes

Titel: Im Reich des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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angriffen. Ich werde es nie vergessen. Die Folterungen zogen sich bis tief in die Nacht hinein. Wir stahlen uns davon, aber die Schreie verfolgten uns. Sie verfolgen mich noch heute.«
    »Ich habe eine Zeitlang in Gulgothir gelebt«, sagte Senta. »Ich habe Verwandte dort, und wir sind oft auf die Jagd gegangen. Eines Tages, im Hochsommer, entdeckten die Jäger drei Nadirjungen, die an einem Bach entlanggingen. Der Jagdmeister rief etwas, und die Reiter fielen in Galopp und spießten zwei der Jungen auf, die einfach nur dastanden. Der dritte lief davon. Er wurde gejagt und oft getroffen. Nicht genug, um ihn zu Fall zu bringen, aber genug, um ihn weiterlaufen zu lassen. Schließlich stürzte er zu Boden, erschöpft und - wie ich vermute - sterbend. Die Jäger, allesamt adelige Gothir, sprangen von ihren Pferden und hackten ihn in Stücke. Dann schnitten sie ihm die Ohren als Trophäen ab.«
    »Und was ist die Moral von der Geschichte?« fragte Angel.
    »Barbarei gebiert Barbarei«, antwortete Senta.
    »Das ist die Predigt des Tages, was?«
    »Himmel, bist du in schlechter Verfassung, Angel. Ich lasse dich allein, damit du sie für dich genießen kannst.«
    Angel schwieg, als Senta zurück in die Hütte ging. Bald würden sie nach Norden reiten. Ins Land der Nadir. Angels Mund war trocken, und die Flammen der Angst loderten in seinem Innern auf.

9.

    Ekodas liebte den Wald, die majestätischen Bäume, die in stiller Brüderlichkeit lebten, die Pflanzen und Blumen, die die Erde bedeckten, und die Feierlichkeit, geboren aus ewigem Leben. Als die Welt noch jung war, die Erde noch warm, waren die ersten Bäume hier gewachsen, lebten und atmeten. Und ihre Nachkommen waren noch immer hier, sahen ohne Ende die kleinen, flüchtigen Leben der Menschen vorbeiziehen.
    Der junge Priester, dessen weiße Gewänder jetzt schmutzig verkrustet waren, ging zu einer gewaltigen Eiche und legte seine Hand auf die rauhe Rinde. Er schloß die Augen. Der Baum hatte kein Herz, dessen Schlag er hören konnte; dennoch pulsierte Leben in dem Stamm, dem langsam durch die Kapillaren fließenden Saft, dem Wachstum von neuem Holz.
    Ekodas fühlte sich in Frieden.
    Er ging weiter. Seine Gedanken waren offen für die Geräusche des Waldes. Ein einsamer Vogel sang, kleine Tiere huschten durchs Gebüsch. Er spürte den Herzschlag eines Fuchses ganz in der Nähe und roch den nach Moschus duftenden Pelz eines alten Dachses. Er blieb stehen. Und lächelte. Der Fuchs und der Dachs teilten sich einen Bau.
    Eine Eule schrie. Ekodas blickte auf. Das Tageslicht verblaßte, und die Sonne versank im Westen im Meer.
    Er machte kehrt und begann den langen Aufstieg zum Tempel. Die Debatte fiel ihm wieder ein, und er seufzte. Er bedauerte seine Schwäche, die dazu geführt hatte, daß er seine Prinzipien verriet. Tief in seinem Innern wußte er, daß Dardalion sich selbst auch nicht sicher war über den Weg, den sie gingen. Der Abt hatte beinahe gewünscht, von dem Schicksal erlöst zu werden, das er so lange geplant hatte. Beinahe.
    Doch wenn die Liebe an jenem Tag gewonnen hätte, wäre alles, wonach Dardalion gestrebt hatte, nichtig erschienen. Eine tragische Vergeudung von Leben und Gaben. Das konnte ich dir nicht antun, Dardalion, dachte Ekodas. Ich konnte aus deinem Leben keinen Schmerz machen.
    Der junge Priester holte tief Luft und versuchte, wieder die Ruhe des Waldes zu spüren. Doch statt dessen fuhr ein scharfer, brennender Stoß durch seine Gedanken. Zorn. Furcht. Erregung. Lust. Er konzentrierte sich auf seine Gabe und suchte den Wald ab. Und spürte zwei Männer ... und ... ja, eine Frau auf.
    Er bahnte sich einen Weg durch die Büsche neben dem Pfad und überquerte den Hang, bis er zu einem Wildpfad gelangte, der in eine tiefe Schlucht hinabführte. Er hörte die Stimme eines Mannes.
    »Sei doch vernünftig, Weib. Wir wollen dir nicht weh tun. Wir bezahlen ja sogar!«
    Eine andere Stimme fiel ein, rauh und tief. »Genug geredet! Packt die Gans!«
    Ekodas kam um die letzte Biegung und sah die beiden Männer, ihrer Kleidung nach Waldarbeiter, mit gezogenen Messern vor einer jungen Nadirfrau stehen. Sie hielt ebenfalls ein Messer in der Hand und wartete ruhig, mit dem Rücken zu einem Felsen.
    »Guten Abend, Freunde«, sagte Ekodas. Der erste der Männer, groß und schlank, in einer grünen Tunika aus handgesponnener Wolle, braunen Lederbeinkleidern und Stiefeln, fuhr zu ihm herum. Er war noch jung; die sandfarbenen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz

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