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Im Reich des Wolfes

Im Reich des Wolfes

Titel: Im Reich des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Jahunda lag viel daran, daß der erste Pfeil tödlich traf.
    Aus den schneebeladenen Bäumen drang kein Laut, und Jahunda riskierte einen Blick um den Felsen herum.
    Nichts.
    Aber der Mann mußte in der Nähe sein. Es gab keinen anderen Weg. Jahunda arbeitete sich zentimeterweise nach links und beugte sich vor. Immer noch nichts. Vielleicht war der Reiter umgekehrt. Vielleicht hätte er auch beim ersten Hinterhalt warten sollen.
    Unschlüssigkeit lähmte ihn. Der Drenai erleichterte sich vielleicht gerade an einem Baum, beruhigte er sich. Laß ihm Zeit! Aber das Pferd war großartig! Er könnte es verkaufen und Shora einen Seidenschal kaufen und einen dieser Armreifen mit den blauen Steinen, die Zaris zu lächerlich hohen Preisen verkaufte. Oh, wie Shora ihn lieben würde, wenn er mit solchen Geschenken zum Haus ihres Vaters käme. Dann wäre er ein anerkannter Krieger, ein Jäger, ein Mann, der das Land verteidigt hatte. Dann würde es kaum eine Rolle mehr spielen, daß ihm noch kein Bart wuchs.
    Er hörte gedämpftes Hufklappern und schluckte schwer. Warte! Hab Geduld. Er spannte die Sehne und warf einen Blick zur Sonne. Sie würde von oben rechts den Schatten des Reiters werfen, und von seinem Versteck hinter dem Felsen konnte Jahunda seinen Angriff genau planen. Er leckte sich die Lippen und hielt Ausschau nach dem Schatten des Pferdes. Als er neben dem Felsen auftauchte, trat er mit erhobenem Bogen hervor.
    Der Sattel war leer. Kein Reiter.
    Jahunda blinzelte. Etwas traf ihn hart am Hinterkopf, und er fiel auf die Knie, der Bogen entglitt seinen Fingern. Ich sterbe! dachte er. Und seine letzten Gedanken galten der schönen Shora.
    Er spürte, wie ihn grobe Hände schüttelten, und kam langsam wieder zu Bewußtsein.
    »Was ist passiert, mein Junge?« fragte Jitsan, der Oberspäher des Sathuliherrschers.
    Jahunda versuchte es zu erklären, doch einer der anderen Jäger trat vor und tippte Jitsan auf die Schulter. »Der Drenai hat sein Pferd vorgeschickt, sich von hinten an ihn rangeschlichen und ihn niedergeschlagen. Er will zum Senacpaß.«
    »Kannst du gehen?« fragte Jitsan Jahunda.
    »Ich glaube schon.«
    »Dann geh nach Hause, Kind.«
    »Ich schäme mich«, sagte Jahunda und ließ den Kopf hängen.
    »Du lebst«, sagte Jitsan mit Nachdruck, stand auf und ging rasch davon, gefolgt von den sechs Jägern.
    Jetzt gab es kein Pferd für den jungen Sathulikrieger. Keinen Armreifen. Keinen Schal für Shora.
    Er seufzte und hob seinen Bogen auf.
    Waylander stieg ab und führte den Wallach am Zügel den steilen Hang hinauf. Scar trottete neben ihm her. Er mochte den kalten Schnee unter seinen Pfoten nicht. »Es kommt noch schlimmer«, sagte der Mann.
    Er hatte die Rauchzeichen gesehen und mit finsterer Belustigung die Possen des jungen Sathuliwächters beobachtet. Der Junge konnte nicht älter als vierzehn sein. Unreif und unerfahren, war er zu schnell zum Hinterhalt gerannt und hatte Fußspuren hinterlassen, die sich mühelos zu dem Felsen verfolgen ließen, hinter dem er sich versteckte. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da Waylander ihn getötet hätte. »Du wirst weich«, schalt er sich. Aber er bedauerte es nicht.
    Auf dem Kamm des Hügels hielt er inne, beschattete die Augen vor dem glitzernden Schnee und suchte den Pfad zum Senacpaß. Es war zwölf Jahre her, seit er diesen Weg genommen hatte, und damals war Sommer gewesen, die Berghänge grün und üppig. Der beißende Wind drang durch seine Weste, und er band seinen pelzgefütterten Umhang vom Sattel, rollte ihn auseinander und befestigte ihn mit einer bronzenen Spange und einem Lederband um den Hals.
    Er drehte sich prüfend um, als er weiterging, den Wallach am Zügel führend. Der Pfad war schmal und wand sich einen schneebedeckten Geröllhang hinab zu einem langen, gewundenen Sims, der kaum mehr als einen Meter breit war. Rechts stieg der Berg an, links lag der schwindelerregende Abgrund zum Tal, das über hundertzwanzig Meter tiefer lag. Im Sommer war der Gang über den Sims schlimm genug gewesen, aber jetzt, eisverkrustet und trügerisch ...
    Du mußt verrückt sein, sagte er sich. Er ging los, doch der Wallach zögerte. Der Wind pfiff über den Hang, und das Pferd hatte keine Lust zu einem solchen Abenteuer.
    »Komm schon, Junge!« drängte Waylander und zerrte an den Zügeln. Doch das Pferd rührte sich nicht. Hinter dem Tier ließ Scar ein tiefes, drohendes Knurren hören. Der Wallach machte einen Satz nach vorn, wobei er um ein Haar Waylander über

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