Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
Urlauber und Arzt namens Dr. Warecha vorbei. Sicherlich seien die beiden tot, meinte auch er. Aber immerhin, man könnte doch Professor Jellineks Lehrsatz ausprobieren. Also begann der Arzt mit künstlicher Atmung bei der Frau und erklärte einem Bauern, was er bei dem Kind zu tun habe. Und wirklich! Jellinek hatte Recht. Nach einer Stunde der Bemühungen erwachten
beide, sie wurden wieder lebendig - und blieben es auch. Dieser Vorfall erregte ungeheures Aufsehen und machte die Jellinek-Methode weltweit bekannt.
Wie die Wiener so sind, gaben sie Professor Jellinek danach den Spitznamen » Blitzjude«.
Manchmal konnte allerdings auch Jellinek nichts mehr ausrichten. Im Jahr 1924 ging ein Kinderspaß tödlich aus. Ein fünfjähriger Junge urinierte aus Jux von einer Straßenüberführung auf den Fahrdraht der elektrischen Lokalbahn Wien-Pressburg. Er brach sofort leblos zusammen und konnte nicht mehr gerettet werden. Der Harnstrahl hatte ihm 16 000 Volt Spannung vermittelt. Dieser Vorfall gab Anlass dafür, dass auf allen Überführungen Metallwände aufgestellt wurden, um solche Kunststücke mit darunter vorbeiführenden Oberleitungen unmöglich zu machen. Diese Abschirmungen sind heute noch Vorschrift.
Ein Kuriosum ist auch jene Ringelnatter, die beim Überklettern eines Hochspannungstransformators Erdschluss erzeugte und dabei die ganze Stadt Klagenfurt für kurze Zeit stromlos machte. Der Schlangenkadaver wurde im elektropathologischen Museum aufbewahrt.
1929 schuf man an der Wiener Universität einen eigenen Lehrstuhl für Elektropathologie. Da Jellinek kein Gerichtsmediziner war, sondern nur an der Gerichtsmedizin arbeitete, habilitierte er sich für Innere Medizin mit besonderer Berücksichtigung der Elektropathologie. 1938 wurde Professor Jellinek vom Naziterror aus Wien vertrieben. Er ging nach Oxford und arbeitete dort weiter. Noch als Neunzigjähriger kehrte er mehrmals im Jahr nach Wien zurück, besuchte sein Museum und wurde von uns jungen Medizinern als Relikt einer großen Vergangenheit ehrfürchtig bestaunt und gegrüßt.
Das elektropathologische Museum wurde mehrmals übersiedelt und befindet sich jetzt in Wien 16., Gomperzgasse 1-3. Die Sammlung erinnert nicht nur an eine Zeit, als die Wiener Medizin Weltgeltung hatte, sondern bewahrt auch aktuelle Fälle auf, wie den Paragleiter in der Stromleitung oder den vom Blitz getroffenen Surfer.
Ein Beispiel aus den USA:
Am 25. Juli 1967 befand sich der 21-jährige Thomas Coleman, der Sohn des Leiters der Abteilung für Elektrokardiologie am St.-Joseph-Hospital in Carbondale, Pennsylvania, Prof. T. H. Coleman, auf dem Golfplatz.
Es war schwül, die Luft feucht, aus der Umgebung hörte man Donnergrollen. Über dem Golfplatz schien jedoch die Sonne, der Himmel erstrahlte blau. Thomas befand sich etwa 100 Meter vom Klubhaus entfernt und ging mit einem 8er-Eisen über der Schulter auf dem Grün seinem Ball nach. Da zuckte plötzlich im wahrsten Sinn des Wortes aus heiterem Himmel ein Blitz nieder. Thomas wurde getroffen, sein T-Shirt und die Haut an der vorderen Brustwand zeigten Verbrennungen. Der junge Mann stürzte bewusstlos zu Boden, zwei Stunden später starb er im Krankenhaus seines Vaters trotz intensiver Reanimationsbemühungen.
Die Sterbequote bei Blitzunfällen beträgt etwa 30 %. Kommt es sofort zu einem Herz- und Atemstillstand, muss man mit 80 % rechnen. Der extrem starke Gleichstrom bei Blitzschlägen erreicht bis zu 10 Millionen Volt und 100 000 Ampere. Dies führt augenblicklich zur Unterbrechung der elektromechanischen Koppelung am Herzen, d. h. das Herz bleibt stehen, sowie zur Lähmung des Atemzentrums im Gehirn, und dies bedeutet Atemstillstand. Die Feuchtigkeit auf der Hautoberfläche verdampft explosionsartig und verbrennt Kleidung und Schuhe. Todesursache beim Blitzschlag ist entweder eine schwere Hirnschädigung oder ein Herzstillstand.
Warnung vor unterschätzten Blitzen
• Suche Schutz in einem festen Gebäude oder geschlossenen Auto!
• Zeltstangen, Zäune, Bahngleise, Wasserleitungen und Telefone ziehen Blitze an.
• Suche den Wald, nicht den Baum; Blitze werden von isolierten Bäumen angezogen!
• Bleibe trocken, verlasse Schwimmbäder, Seen oder Flüsse. Wasser und Elektrizität sind eine tödliche Mischung!
• Personengruppen sollen sich zerstreuen, damit im Ernstfall nur wenige betroffen sind.
• Blitze kennen keine Spielregeln. Auch ein Blitz, ausgehend von einem Gewitter, das zehn Kilometer
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