1046 - Der Hexenturm
Dann hörten wir Stimmen. Wir verstanden nichts, aber uns wurde klargemacht, was man von uns wollte. Jemand riß die Fahrertür an meiner Seite auf. Ich hatte die Beretta noch nicht gezogen, das war möglicherweise gut so, denn etwas Hartes wurde in meinen Rücken gedrückt. Bestimmt der Lauf einer Waffe.
Noch im Wagen hob ich die Hände und richtete mich langsam wieder auf. Bill tat auf dem Beifahrersitz das gleiche. Wir bewegten uns sehr langsam - vorsichtig sein, keinen Fehler machen, denn die Kerle hatten einen verdammt nervösen Zeigefinger.
Der Kerl hinter mir bellte ein Befehl. Da zugleich der Waffendruck aus meinem Rücken verschwand, faßte ich die mir nicht verständlichen Worte als Aufforderung auf, das Fahrzeug zu verlassen, was ich auch tat. Ich drehte mich - die Arme immer noch oben -, und ich sah den Kerl mit der Waffe aus der Nähe.
Er sah wild aus. Sein Gesicht wurde von einem dunklen Bart umwuchert.
Auf dem Kopf trug er eine Strickmütze. Seine Jacke stand offen. Aus dem breiten Gürtel schaute der Griff eines Messers hervor. Er wirkte wie ein Partisan aus den Schluchten des Balkans. Seine Waffe stammte aus Israel. Es war eine Uzi.
Der zweite sprach auf Bill ein. Er redete schnell, und Bill hielt auch nicht seinen Mund. Warum man auf uns geschossen hatte, stand in den Sternen. Es konnte durchaus sein, daß man keine Fremden mochte, aber gleich auf sie zu schießen, war schon ungewöhnlich. Oder es hing mit dem Fall zusammen, der Bill und mich in diese einsame Gegend Rumäniens, mitten in den Karpaten, geführt hatte. Wir wollten die verfluchten Zombie-Eulen stellen, die Kinder raubten und sogar den Weg nach London gefunden hatten, um einen Verräter zu bestrafen, denn diesem Mann hatten sie die Augen ausgehackt.
Außerdem wollten wir uns mit unserem Freund Frantisek Marek treffen.
Aber nicht in Petrila, sondern hier, in Bilic. Allerdings hatte uns der Empfang hier überrascht.
Ich stand jetzt neben dem Leihwagen Der Bärtige blaffte mich an. Er war nervös. Die Waffe in seiner Hand ruckte. Ich hoffte, daß sich die Unruhe nicht auf seinen Zeigefinger übertrug. Als ich auf den ungepflasterten Weg schielte, wurde mir klar, daß uns der Mann nicht hatte treffen wollen. Die Kugeln hatten nur den weichen Boden leicht umgepflügt.
Auch Bill erschien. Ein zweiter Mann bedrohte ihn mit einem Revolver.
Mit erhobenen Armen ging mein Freund vor ihm her und mußte in Höhe der Kühlerhaube stehenbleiben.
Der zweite Mann war noch jung Beinahe ein Kind. Zumindest ein Halbwüchsiger, nicht älter als sechzehn, Seine langen, dunklen Haare hingen als Zopf in den Nacken hinab und wurden von einer roten Schleife gehalten.
Er schnauzte Bill an, aber seine Stimme klang trotz der Lautstärke unsicher.
Ich hob die Schultern, weil ich dem Kerl mit der MPi klarmachen wollte, daß ich ihn nicht verstand. Er wurde wütend und schüttelte den Kopf.
»Ich spreche kein Rumänisch, verflucht! Höchstens ein paar Worte.«
Seine Antwort überraschte mich, denn plötzlich fragte er: »Du bist Engländer«
»Ja.«
»Kannst du Deutsch?«
»Sicher.«
Sein Bart zuckte, als er grinste. »Das ist gut. Ich spreche nur einige Sätze englisch, aber die deutsche Sprache kann ich besser. Meine Großmutter stammte aus Deutschland.«
»Das ist gut.«
»Weiß ich nicht, ob das gut ist.«
Ich hob die Schultern. »Warum habt ihr auf uns geschossen?«
Er atmete schnell. »Weil wir hier keine Fremden wollen, verstehst du das?«
»Nein.«
Meine Antwort hatte ihn in Erklärungsnot gebracht. Er suchte nach Worten und sagte schließlich: »Wir wollen nicht, daß Leute hier bei uns herumschnüffeln.«
»Habt ihr denn was zu verbergen.«
»Nein!«
Seine Lüge war leicht zu durchschauen. »Schade, wir wollten nur Rast machen und etwas essen oder trinken. Ich habe immer gedacht, ihr Rumänen seid gastfreundlich, aber das scheint mir doch nicht zu sein.«
»Ich glaube dir nicht. Du bist einer, der schnüffeln will. Und dein Freund auch. Ihr seid von der Presse. Reporter, die irgendwas gehört haben, glaube ich.«
Da hatte er gar nicht mal so unrecht, wenn ich an Bill Conolly dachte.
Nur würde ich es nicht zugeben. »Pardon, aber was sollten wir denn gehört haben?«
»Es gibt Geschichten hier…«
»Klar, über Vampire. Wir befinden uns in der Heimat des Grafen Dracula. Diese Geschichten kenne ich auch. Vampire haben Saison. Unsere Büros organisieren sogar Reisen in euer Land, die sie Gruseloder Vampirtours nennen. Der
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