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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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beide schon lange nichts mehr gehört haben.«
    »Wir kennen ihn?« Wahrscheinlich jemand, den wir hinter Gitter gebracht hatten und der uns nach seiner Entlassung Ärger bereitete. Ein Exhäftling, der dank der neuen Überwachungsgesetze für Sexualstraftäter leicht ausfindig zu machen war. Die Vorstellung, den Fall so schnell aufklären zu können, versetzte mir einen Adrenalinschub.
    »Wenn ich seinen Namen wüsste, würde ich noch heute Abend an seine Haustür klopfen und ihm die Handschellen anlegen«, sagte er. »Der Scheißkerl hat uns schon vor vier Jahren an der Nase herumgeführt, bevor er plötzlich spurlos verschwand. Weil wir seitdem nichts mehr von ihm gehört haben, glaubte ich schon, er hätte ein gewaltsames Ende gefunden. Aber er ist wieder da, und allem Anschein nach gefährlicher als zuvor.«
    »Du glaubst zu wissen, wer –«
    »Ich weiß es ganz sicher, Alex. Thaler hat es mir gerade bestätigt. Der Seidenstrumpfvergewaltiger hat wieder zugeschlagen.«
     

2
     
    Ich sah auf das Brett hinter meinem Schreibtisch, an dem ein Stadtplan von Manhattan befestigt war, und drückte einen roten Reißnagel an die Stelle, wo sich Annika Jelts Wohnung befand. Von ihrem bis zu meinem Haus waren es nicht einmal fünf Blocks, kaum eine Fingernagelbreite.
    Ich drehte mich zum Bezirksstaatsanwalt um. »Ich bin bereit, morgen vor die Grand Jury zu treten und mit den Zeugenaussagen anzufangen.«
    »Erst müssen Sie den Kerl zwischen die Finger kriegen, Alex. Sie müssen wissen, wer die Verbrechen begangen hat, bevor Sie jemanden anklagen.«
    »Ich weiß, wer es getan hat, Boss.«
    »Haben Sie einen Namen? Haben Sie etwas herausgefunden, von dem ich nichts weiß?«
    »Ich habe ein DANN-Profil. Ich habe fünf Frauen –«
    »Die Fälle sind vor vier Jahren passiert.«
    Ich war nicht zu bremsen. »Wir haben fünf Frauen, die laut Auskunft des Serologielabors von demselben Täter vergewaltigt worden sind, und vier weitere Opfer von versuchten Vergewaltigungen, die eindeutig seiner Vorgehensweise entsprechen. Und jetzt haben wir einen neuen Treffer in der Datenbank.«
    Paul Battaglia ging zur Tür. »Ich soll also der Presse mitteilen, dass dieser Irre erneut die Gegend unsicher macht und ich beschlossen habe, einige unentzifferbare genetische Marker anzuklagen, damit sich die Öffentlichkeit sicher fühlt? Lassen Sie uns wieder reden, wenn Mercer jemandem die Handschellen angelegt hat. Was wir brauchen, ist ein Name, ein Geburtsdatum und ein Verbrecherfoto, das die Zeitungen abdrucken können. Habe ich Recht, Detective?«
    Im Qualm von Battaglias Zigarre konnte ich Mercers Gesichtsausdruck nicht sehen.
    »Ich hätte gern Ihre Erlaubnis, ihn anzuklagen.«
    »Wen anzuklagen, Alex?«
    »John Doe. Ich will gegen diesen Vergewaltiger eine DANN-Anklage gegen unbekannt erheben. Würden Sie bitte hier bleiben, damit wir Ihnen sagen können, wie wir vorgehen möchten?« Eigentlich wollte ich ihm sagen, dass er mich nicht so herablassend behandeln solle, aber obwohl ich die Abteilung für Sexualverbrechen seit fast zehn Jahren leitete, durfte auch ich bei Paul Battaglia gewisse Grenzen nicht überschreiten.
    »Sie haben das doch schon mal gemacht, oder? Warum brauchen Sie jetzt meine –«
    »Weil die Sache dieses Mal anders liegt, Paul. Bei den bisherigen zwei Fällen in New York hat sich die Presse nicht darum gekümmert. Wir haben sie sozusagen unterm Radar durchgeschleust.«
    Als ich mich das erste Mal entschloss, einen Vergewaltiger anzuklagen, von dem wir nur das DANN-Profil kannten, war es eine ziemlich riskante Sache gewesen. Kein leibhaftiger Täter, keine Ahnung, wie er hieß oder wo er sich aufhielt. Ich war mir nicht einmal sicher gewesen, ob Battaglia meine neue Herangehensweise damals überhaupt mitbekommen hatte.
    »Sobald der Polizeipräsident heute Abend publik macht, dass der Seidenstrumpfvergewaltiger wieder sein Unwesen treibt, werden Sie von der gesamten Upper East Side belagert werden.«
    Jetzt hatte ich seine Aufmerksamkeit. In seinem Wahlkampfslogan versicherte Battaglia den Bürgern von Manhattan zwar, dass man mit Menschenleben keine Politik betreiben dürfe, aber er stand im November zur Wiederwahl an und reagierte sehr empfindlich auf jeden Anstieg in den Verbrechensstatistiken.
    Er lehnte sich an den Türrahmen und redete, die Zigarre zwischen die Schneidezähne geklemmt, aus dem Mundwinkel. »Was bringt mir diese John-Doe-Anklage?«
    »Zweierlei. Der neue Fall ist nicht das Problem. Aber die

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