Im Schatten der Wandlung (German Edition)
plappert wie ein Wasserfall, genau wie meine Mom. Glücklicherweise wurde ich vor diesen Genen verschont.
„Hallo Tante Lori! Es war gar nicht so schlimm. Wie geht’s dir?"
Mein Onkel ist letztes Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Seitdem geht es meiner Tante sehr schlecht. Doch sie meint es immer überspielen und gute Laune vortäuschen zu müssen.
„Bei mir ist alles klar. Bis auf das Wetter hier. Ist eben Herbst, da ist es immer noch nasser als sonst. Hast dir den richtigen Tag für deine Ankunft ausgesucht. Es regnet, typisch für unser schönes Ländchen. Aber jetzt erzähl du mal. Was gibt’s so neues im Hause Bennett?"
Die ganze Fahrt verbrachten wir mit dem Austausch des neuesten Klatsch und Tratsch. Dennoch zog sich die Fahrerei mächtig in die Länge. Wenigstens konnte ich trotz des Regens die atemberaubende Landschaft und massenweise Schafe bewundern. Es war ganz anders als in Kalifornien. Überall kilometerlange, saftige grüne Wiesen, die immer wieder von kleinen Wegen getrennt wurden. Besonders gefiel mir das Eilean Donan Castle, das direkt vor einem spektakulären Bergpanorama liegt, umgeben von einem See. Lori hat diesen kleinen Abstecher nur meinetwegen gemacht, weil sie ganz genau weiß, wie sehr mir so etwas gefällt.
Als wir endlich in meinem neuen Zuhause ankamen, war ich sehr überrascht. Ich hatte das Haus und vor allem den Garten ganz anders in Erinnerung. Viel lebendiger. Jetzt wirkt alles so trostlos. Keine Pflanzen, der Boden voll mit runter gefallenem Laub und viel zu hohes Gras. Wahrscheinlich spiegelt das Loris Inneres wider. Ich wusste, dass ich da einiges vor mir hatte.
Das Haus sah soweit aus wie immer. Für eine einzige Person war es definitiv zu groß. Sie musste sich sehr einsam darin fühlen.
Es war in einem dunklen Gelb gestrichen, das die traditionellen roten Dachziegel noch mehr zur Geltung brachte. Auf der überdachten Terrasse, die zu dem riesigen Garten führte, war nur eine Hollywood-Schaukel zu sehen, sonst nichts. Der Nieselregen verlieh dem ganzen Grundstück einen noch melancholischeren Beigeschmack.
„Hier sah es auch schon mal schöner aus, findest du nicht?"
Im Nachhinein wollte ich mir auf die Zunge beißen. Ich hoffe, mit dieser Frage nicht zu weit gegangen zu sein.
„Weißt du Sam, um so was wie Gartenarbeit hat sich immer dein Onkel gekümmert."
Sie bemühte sich zu lächeln, scheiterte jedoch kläglich.
„Wenn du Lust hast, können wir ja den Garten zusammen wieder herrichten. Hättest du Lust?"
„Das sehen wir dann noch Sam. Jetzt lass uns erst mal rein gehen, du bist doch bestimmt am Verhungern."
Nach ihren Worten wurde mir erst so richtig klar, wie recht sie hatte. Den Fraß im Flugzeug ließ ich nach dem ersten Bissen stehen.
Wir aßen zusammen zu Abend, gleich danach ging ich auf mein Zimmer. Es war groß und gemütlich eingerichtet. Die Wände waren in einem hellen, warmen apricot gestrichen. Das Bett war gigantisch und sehr hoch. Es stand in der rechten hinteren Ecke und nahm sehr viel Platz des Raumes ein. An einer Wand hing ein Poster von meiner Lieblingsband `30 seconds to mars`. Bestimmt hat Mom ihr davon erzählt. Es gab sogar eine blaue Couch mit einem kleinen Glastisch davor und einen Schrank aus Ahorn, mit den dazu gehörigen Regalen. Das Zimmer lag im ersten Stock und hatte einen Balkon zur Hinterseite des Hauses. Man hatte einen wunderschönen Ausblick auf den kleineren Teil des Gartens und auf den Wald. Ich mochte den Wald nicht besonderes. Er war irgendwie unheimlich, vor allem im Dunkeln. Einen Grund dafür gab es allerdings nicht. Es war eher eine Intuition.
Nach dem Auspacken meiner Sachen legte ich mich ins Bett. Zum Glück war erst Samstag, somit blieb mir noch ein Tag, bevor es am College losging.
***
Am nächsten Morgen weckte mich der Duft nach frisch gebrühtem Kaffee. Ich ging hinunter in die Küche. Dort hatte Tante Lori ein typisch schottisches Frühstück für mich zubereitet. Nämlich Haferbrei mit Zimt und Zucker. Sie sah wohl meinen skeptischen Gesichtsausdruck und sagte: „Das gibt Kraft".
Wir mussten beide lachen.
„Probier es mal, zwischendurch ist es ganz lecker."
Ich schaute sie fragend an.
„Keine Angst Samantha, es gibt auch noch Brötchen und Eier."
Um sie nicht zu enttäuschen, versuchte ich den Brei und zu meiner großen Überraschung war er gar nicht mal so übel.
„Was machen wir heute?", fragte mich Lori.
„Hm, ich kenn die Gegend hier ja noch gar
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