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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Meter vor ihm stand, blieb sie wie angewurzelt stehen und rief Worte in der Mapuche-Sprache. Er war nicht sicher, was sie verhießen, ob Dank für sein Auftauchen oder einen Zauber, um sich vor bösen Geistern zu schützen.
    Er wartete, dass sie endete, um auch etwas zu sagen, aber sie rief schrill in einem fort, bis sämtliche Dienstboten zusammengelaufen kamen und ihn mit aufgerissenen Augen anstarrten. Nur seine Eltern wurden von dem Lärm nicht angelockt.
    Schließlich sprach er in Saquis Schreie hinein: »Nicht doch! Nicht doch, Saqui! Ich bin es wirklich und nicht etwa ein Geist, schon gar kein böser. Ich bin aus Fleisch und Blut … und ich war nie tot. Damals in der Wüste bin ich nur verletzt worden und habe meine Erinnerungen verloren – aber diese Erinnerungen sind nun zurück und ich auch.«
    Nun verstummte Saqui, wurde erst bleich, dann rot, dann wieder bleich, trat auf ihn zu und drückte ihn an sich. Sie hielt ihn lange und fest. »Chico! Chico!«, rief sie wieder unter Tränen, bekundend, dass sie ihm glaubte, aber auch, dass sie das Wunder kaum fassen konnte.
    Er freute sich für sie – und zugleich wurde ihm weh ums Herz, weil sie erfahren würde müssen, dass er nicht bleiben konnte. Seit er das Haus betreten hatte, war ihm das noch deutlicher als zuvor. Dies war nie das Zuhause des alten Tiago gewesen, in dem er sich wohl gefühlt hatte, und noch weniger das des neuen.
    Als Saqui ihm darum nach vielen wirren Worten und Umarmungen erzählte, dass Alicia vor drei Monaten gestorben war, war seine Trauer zwar tief, wurde aber von der Einsicht begleitet, dass es auch sein Gutes hatte. Ohne Zweifel war es eine Tragödie, dass Alicia nie erfahren sollte, dass er noch lebte. Doch er hatte immer geahnt, dass sie hier so unglücklich gewesen war wie er und dass sie den Tod als Erlösung willkommen geheißen hatte – nicht als Feind, der ihr etwas raubte, was wertvoll war.
    »Und Vater?«, fragte er erstickt.
    »Er hält sich immer in ihren Gemächern auf.«
    Tiago war verwundert. Seine Eltern waren üblicherweise im Speisezimmer oder Salon zusammengetroffen, aber er hatte seinen Vater nie im Zimmer der Mutter gesehen. Vielleicht hatte er sie früher des Nachts dort besucht, aber eigentlich war er überzeugt gewesen, dass William die ehelichen Pflichten nicht länger von ihr eingefordert hatte, nachdem Alicia zwei Söhne geboren hatte.
    Tiago löste sich von Saqui und stieg ein zweites Mal an diesem Tage eine Treppe hinauf – mit schwerem Herzen und unheilvollen Erinnerungen.
    Es war hier nicht so schmutzig und verlottert wie im Haus der Espinozas, aber ebenso finster, und als er Alicias Schlafgemach betrat, konnte er William vorerst nirgendwo entdecken. Er wollte schon wieder gehen, als er ein Seufzen vernahm und dann sah, wie er zusammengesunken vor dem Altar saß. Weihrauchgeruch lag in der Luft und ebenso der Duft von Alicias Veilchenparfüm. Tiago starrte auf die Heiligenfiguren mit den echten Haaren, die ihn als Kind so geängstigt hatten – und auch jetzt erschaudern ließen.
    Unwillkürlich fragte er sich, ob Alicia – hätte sie den heutigen Tag noch erlebt – bei seinem Anblick aufgesprungen wäre und ihn umarmt hätte. Oder ob sie lieber darauf verzichtet hätte, um sich vor Gefühlen zu schützen, weil diese ihr – ganz gleich, ob nun gut oder schlecht – als zu stark erschienen, um sich ihnen auszusetzen.
    »Vater?« Seine Stimme zitterte, er wusste nicht, warum. Vielleicht, weil er sich vor dem Vater fürchtete, wie er sich immer ein wenig gefürchtet hatte, vielleicht, weil er noch mehr Angst vor sich selber hatte und sich nicht sicher sein konnte, ob William nicht doch noch Macht über ihn erlangen würde.
    Doch als William hochblickte, glaubte er in das Gesicht eines Fremden zu sehen: Er trug nur einen Schlafrock, und der war schlampig um die etwas aufgedunsene Taille gebunden und voller Schweißflecken. Der Bart wuchs wirr in alle Richtungen, die Haare waren schütter. Der Zustand, in dem William vor dem Altar seiner verstorbenen Frau hockte, war ein erbärmlicher, und in Tiago wurde jenes Gefühl übermächtig, das er am wenigsten erwartet hatte, das er aber auch Andrés nicht hatte verweigern können – Mitleid.
    Beide waren sie nicht mehr die Alten, beide waren sie zerstört, bei beiden hatte es gewiss mit seinem vermeintlichen Tod zu tun.
    »Vater …«
    William starrte ihn gebannt an.
    Tiago erwartete, dass sich Überraschung in ihm regen würde, Furcht vor einem

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