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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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energisch. So musste er gewesen sein, als er einst nach Chile gekommen war, um hier ein Handelsimperium zu gründen.
    »Ihre verfluchte Religion!«, schrie er. »Immer hat sie mir vorgehalten, dass sie lieber ins Kloster gegangen wäre, als mich zu heiraten! Und weiß du, was das Schlimmste war? Wenn das wahr gewesen wäre, hätte ich es hinnehmen können. Aber ich glaube, es war gelogen. Sie wollte nicht ins Kloster gehen, sie wollte lachen, viel und laut, aber sie hat es nie gelernt, weil eine Dame das nicht tut.«
    Er lehnte sich an die Wand, und von seiner jähen Kraft war nichts mehr zu spüren. Er schien zu schrumpfen, zu vertrocknen. Ehe er auf den Boden sank, trat Tiago zu ihm, zog ihn an sich und barg den Kopf des Vaters an seine Brust.
    Ruhig sprach er auf ihn ein. »Ich kann dir nicht verzeihen, was du Aurelia angetan hast – es war Unrecht, dass du versucht hast, sie von unserem Sohn zu trennen. Gottlob ist es dir nicht gelungen. Aber dass ich mich von dir überreden ließ, in Guillermos Fußstapfen zu treten – das war meine Schuld, nicht deine. Und das trage ich dir nicht nach. Leb wohl, Vater.«
    William löste sich von ihm, und erst jetzt, als er ihn anstarrte, schien er zu begreifen, wen er da vor sich hatte.
    »Tiago«, stammelte er, »Tiago, wohin gehst du?«
    »Zu der Frau, die ich liebe, und zu unserem Sohn … Und wenn ich dir etwas bedeute, kannst du uns schreiben oder uns gar besuchen … dort, wo wir künftig leben werden … auf einer schlichten Estancia in Patagonien bei hart arbeitenden Schafzüchtern.«
    William glotzte ihn weiterhin an, und Tiago ahnte, dass er niemals dieser Einladung folgen würde, genauso wenig wie Saqui. Dieser würde er zwar anbieten, mit ihnen zu kommen, aber letztlich, dessen war er sich sicher, würde sie ihr bequemes Leben hier in Santiago nicht aufgeben. Dazu war sie zu alt.
    Dennoch war er froh, seinem Vater dies angeboten zu haben. Als er den Raum verließ, fiel sein Blick auf die umgestürzten Statuen. Nie hatte im Gemach seiner Mutter solches Chaos geherrscht, doch gerade die Unordnung brachte eine merkwürdige Art von Frieden in diese Räume, und mit diesem Frieden in seinem Herzen schied er von seinem Vater.

    Die Rückkehr nach Santiago war für Aurelia ein eher beklemmendes als freudiges Erlebnis. Sie versuchte, sich an die angenehmen Erinnerungen zu klammern – die einstige Ankunft mit Victoria, das Gefühl von Abenteuer und Freiheit, das damals in der Luft lag, das überraschende Wiedersehen mit Tiago an der Escuela –, doch es stiegen auch andere in ihr hoch, vor allem an den Tag, als sie mit Tino überstürzt geflohen war. Wenigstens war sie damals nicht allein gewesen, sondern hatte Pepe an ihrer Seite gewusst – und ihn und auch Valentina wiederzusehen war trotz allem eine große Freude.
    Auf den ersten Blick hatten sich die beiden kaum verändert: Valentina war immer noch die unnahbare Matrone in schwarzer Kleidung, trug wie gewohnt einen Spitzenschleier über ihrem Haarknoten und hielt den Rücken straff – Zeichen des Selbstbewusstseins, aber auch einer gewissen Steifheit. Pepe wiederum nörgelte mit leicht verkniffenem, teigigem Gesicht, als Tino in der Buchhandlung herumsprang, traute sich aber nicht, mit dem Jungen zu schimpfen, sondern flüchtete sich in übliche Selbstgespräche.
    Dass sich zumindest Valentina doch sehr stark verändert hatte, begriff Aurelia aber sehr bald. Obwohl sie ihn bei der Begrüßung eingehend gemustert und festgestellt hatte, wie groß er geworden war, erkannte sie Tino schon wenig später nicht wieder.
    »Wer ist denn dieser freche Junge?«, fragte sie, nachdem der Kleine mittlerweile die Druckerpresse entdeckt hatte und unbedingt herausfinden wollte, wie sie funktionierte.
    Aurelia blickte Valentina erstaunt an – Pepe jedoch wandte sich mit einem ungewohnt freundlichen und nachsichtigen Lächeln an seine Mutter. »Das ist Tino, Aurelias Sohn.«
    Valentina runzelte die Stirn. »Natürlich ist das Tino!«, erklärte sie streng. »Verkauf mich nicht für dumm! Als ob ich das nicht wüsste!«
    Und Pepe verkniff sein Gesicht nicht, als ob er Zahnschmerzen hatte, sondern meinte nur freundlich: »Aber natürlich weißt du das, Mama.«
    Die nächsten Augenblicke vergingen in Schweigen. Valentinas Blick, der eben noch starr auf dem Jungen geruht hatte, schien in die Ferne zu schweifen, und als sie sich wenig später verwirrt in der Buchhandlung umsah, fragte sie wieder: »Wer ist denn nur dieser

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