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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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aufgetaucht. Die Erfüllung meines Traums liegt noch vor mir.“
    Zufriedengestellt wandte Chel sich ab und ging zum Kochfeuer, folgte dem herzhaften Duft einer Suppe, die die Akoluthinnen bereitet hatten. Er zögerte, dann schaute er mich noch einmal an. „Ich bin froh, daß dieses bösartige, quälende Licht nicht das Licht deiner Träume ist, Heao.“
    „Oh, es ist dasselbe Licht, Chel, ganz bestimmt dasselbe Licht.“ Er wartete, daß ich mehr darüber sagte, doch ich wollte es nicht. Dann zuckte er die Achseln und entfernte sich.
    Daß er das Gottesfeuer gefunden hatte, beeindruckte ihn überhaupt nicht; die Entdeckung hatte für ihn in unserer Heimat keinerlei strategische Bedeutung. Seine Verbündete der vergangenen Nacht, ihre nützliche Vision – dies war nunmehr nichts anderes als eine Last, Grund für eine Verzögerung. Niemand von uns würde in diesem Jahr in unserer Heimat die Frühglut des Frühlings erleben, wenn wir nicht schnellstens die Heimreise antraten. Schuldbewußt gestand ich mir ein, daß Taranas Unglück mir letztlich zum Vorteil gereichte. Ich konnte während Taranas Genesung in aller Ruhe das Phänomen studieren und aufzeichnen. Und die Genesung würde länger dauern, als meine Gefährten mir an Zeit eingeräumt hätten.
    In jener Nacht, während wir noch beim Essen saßen, vollendete das Gottesfeuer seine Wanderung über den Himmel. Ich wußte nicht zu sagen, ob die Welt sich zu seiner Begrüßung erheben würde oder ob es irgendwo in den fernen Bergen einen Ruheplatz hatte. Ich weiß nur, daß ich wie in einem Rausch war, als ich es beobachtete. Wundervoll. Ins Tal zog eine vertraute Dunkelheit ein, jedoch war es nicht die Schwärze der Nacht, die uns aus unserer Heimat bekannt war. Der Helligkeitsgrad entsprach eher dem diffusen Ätherbrennen der Zwienacht. Die Himmelsbrücke erstrahlte stellenweise in silbrigem Glanz, war nur teilweise erleuchtet, allerdings war sie als vollständiger Bogen zu erkennen. Ich wünschte mir Teons Augen herbei, um meiner Zeichnung, die ich hastig anfertigte, noch weitere Details hinzuzufügen; meine Mahlzeit hatte ich darüber völlig vergessen.
    „Du hattest recht, Heao. Das Gottesfeuer befindet sich tatsächlich am Himmel. Flammenhüter deckt es im Augenblick zu“, lenkte Baltsar ein. „Was am Himmel noch zu sehen ist, sind einige Funken, die er mit seinem Schürhaken aufwirbelt.“
    Als ich meinen Blick von der Himmelsbrücke löste und in die Richtung schaute, in die Baltsar mit ausgestrecktem Arm wies, durchfuhr mich ein angenehmer Schrecken. Der Himmel war übervoll mit Glutflocken, und es schien fast, als würden sie jeden Moment auf uns herniederregnen, was jedoch nicht eintrat. Ich stieß seufzend die Luft aus und hörte Baltsar lachen.
    „Es sind doch nur Funken“, beruhigte er mich.
    „Oder Windlichter aus dem Himmel selbst“, machte ich einen anderen Vorschlag.
    Chel starrte zum Himmel und dachte einen Moment lang über die Lichterscheinungen nach. „Oder mehr Gottesfeuer“, vermutete er, „und zwar sehr ferne.“ Dann lachte er nervös, wie er es oft tat, wenn er sich zu einer gewichtigen Spekulation durchgerungen hatte.
    Ich überlegte. Andere Gottesfeuer?
    „Dein Expeditionsziel hast du ja offensichtlich erreicht, Heao. Akadem wird dich dafür loben … während ich glaube, daß der Tempel deinen Bericht nicht gerade mit Begeisterung anhören wird.“
    Chel, der kurzsichtige Chel, kam gar nicht auf die Idee, daß wir neues Land für unser Volk gefunden hatten. Ihm war auch nicht klar, daß es in diesem Teil der Welt weitaus bessere Orientierungsmöglichkeiten gab, wie er sie sich selbst in seinen wildesten Träumen niemals hätte ausmalen können, und die weitaus besser und zuverlässiger waren als die Himmelsbrücke in unserer dämmerigen, regenverhangenen Welt. Darüber verlor ich zu Chel allerdings kein Wort, denn auch wenn er in vielen Dingen kurzsichtig ist, so verfügt er doch über einen wachen Geist, und ich würde wahrscheinlich Grund haben, mir wegen Teon Sorgen zu machen. Baltsar schenkte mir einen ausdruckslosen Blick, und ich begriff, daß auch er wohlweislich schwieg. Ich erwiderte seinen Blick mit einem dankbaren Lächeln.
    Für einige weitere Nächte suchten Chel und seine Soldaten nach den Sklaven und verschliefen die heiße Lichtzeit im Schatten ihrer Regendächer. Ich lehnte es ab, die Lichtpracht der Götter zu ignorieren und zu vergeuden und wanderte durch das Tal und in Schluchten in der Nähe und

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