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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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in der Glut des Lagerfeuers, fragte ich mich, wer eigentlich unter meiner Rache am meisten litt.
    Die Angehörigen meines Volkes hatten es immer schon vermieden, Gletscher zu überqueren, weil der Regen die weiten schneebedeckten Gletscher flächen in ein Eismeer verwandelt, in dem nur wenige Menschen sich zurechtfinden. Unsere Gruppe bildete da keine Ausnahme, und wir vergeudeten eine ganze Zwienacht, in der alle außer Baltsar, Teon und mir, die wir mit Eis und Schnee vertraut waren, den Gebrauch von Steigeisen und Eisäxten übten. Tarana lernte dabei am schnellsten, und wir hatten, bis wir auf die erste versteckte Spalte trafen, große Schwierigkeiten, ihr klarzumachen, daß bestimmte Sicherheitsmaßnahmen notwendig waren: wie zum Beispiel am Seil und immer in einer langen Reihe hintereinander zu gehen und zwischen sich und seinen Gefährten einen hinreichend großen Sicherheitsabstand zu lassen. Danach trennte sie sich von ihren Akoluthinnen, damit deren Gewicht sie nicht durch eine Schneebrücke brechen ließ, was Akadem sicherlich nur recht gewesen wäre, sich jedoch als nachteilig auf mein Ansehen ausgewirkt hätte, soweit es meine Fähigkeiten und meine Erfahrungen betraf. Und das wäre mir überhaupt nicht recht gewesen.
    Ich hatte vor, die Spitze zu bilden, da ich im Erkennen von verborgenen Spalten schließlich die größte Erfahrung hatte und außerdem die leichteste von allen war. Sollte ich also wirklich das Pech haben und in eine Spalte einbrechen, würde man mich am leichtesten wieder herausziehen können. Doch solange Baltsar da war, wechselten wir uns in der Führungsarbeit ab, während Teon auf unser Sicherheitsseil achtete. Jedoch war ich es, die schließlich in eine Spalte stürzte, und Baltsar half Teon dabei, mich wieder herauszuziehen.
    „Es gibt da so ein Sprichwort, daß die entsprechende Umsicht sich erst mit zunehmendem Alter einstellt“, sagte Baltsar und betrachtete zufrieden die silbrigen Seilschlingen, während ich die Kälte aus dem Eisloch aus meinen Knochen schüttelte. Mir fiel die andere Spalte ein, vor der Baltsar und Teon mich vor so langer Zeit bewahrt hatten, schenkte ihnen aber nicht die Befriedigung zu erfahren, daß ich mich ausgerechnet in diesem Moment daran erinnerte.
    Wir zogen weiter. Die anderen folgten unseren Spuren und benutzten als Tritte unsere Fußstapfen. Sie waren nicht angeseilt, außer wenn wir Eisbrücken überqueren mußten. Dabei wechselten wir uns aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Seillänge ab. Wir kamen nur langsam vorwärts, allerdings wurde es nie langweilig, da das Gelände zu unsicher war und wir unsere Augen offenhalten mußten. Die Lager waren eine ziemlich traurige Angelegenheit, weil ich immer noch schmollte und mich abseits hielt. Ich schien über meinen Zorn überhaupt keine Kontrolle mehr zu haben.
    Baltsar und Chel waren andererseits froh, Gesellschaft gefunden zu haben.
    Sobald wir über die Regenobergrenze hinausgestiegen waren und in die kälteren, oberen Regionen vordrangen, wo der warme Salzwind vom Meer nicht mehr wehte, fiel Schnee in dicken, klumpigen Flocken, und der Gletscher war nicht mehr so extrem steil. Fast kam es uns so vor, als wanderten wir über einen schneebedeckten Acker im Tafelland. Wir erreichten die Ausläufer des Immernachtgebirges nach nur dreißig Zwienächten, viel eher als ich es von den früheren Reisen mit meinem Stamm in Erinnerung hatte. Dieser hatte es damals nämlich vorgezogen, den Gletscher zu umgehen, als sich mit den Spalten und den unwegsamen Eisbrüchen herumzuplagen. Ich war mit diesem Damm aus Eis und Schnee zufrieden, bis wir an eine Stelle gelangten, wo heiße Lava den Gletscher zertrennt hatte. Das Eis war aufgebrochen und erstarrt, bildete ein Gewirr aus Einschnitten und Schluchten, die wir mit unserem Seil nicht mehr überspannen konnten. Wir kehrten um und drangen in die Randberge vor, die mit körnigem Schnee bedeckt waren, bis wir die Hänge des noch aktiven Vulkans erreichten. Dort kämpften wir uns durch Moränen aus erstarrter Lava und blickten ab und zu voller Unbehagen zu den von der Vulkanesse beleuchteten Wolken hoch. Selbst als unser erster tätiger Vulkan hinter uns lag, dräute vor uns vollkommene Finsternis, und die Furcht vor dem Ungewissen brachte uns alle zum Schweigen. Schließlich gab Tarana das Zeichen zum Anhalten.
    Die Luft war dünn und eisig, und der Schnee war wie feiner Puder. Der Marsch über die scharfkantigen, vom Wind umtosten Lavahänge hatte

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