Im Schatten des Ringes
ihre Stiefel, die aus weichem Leder gefertigt waren, arg mitgenommen. Sie hielt die Leder fetzen hoch, so daß alle sie erkennen konnten. „Natürlich habe ich noch ein zweites Paar“, verkündete sie, „aber dies wird auch nur so lange halten wie das hier.“ Es war ein kaum verschleiertes Kommando, sofort umzukehren.
Chel war verblüfft. „Wir haben in unserem Gepäck das richtige Leder. Einer der Sklaven wird Euch ein neues Paar anfertigen.“
Tarana schaute ihn so bedrückt an, daß ich schon glaubte, sie hätte davon Wind bekommen, worum Akadem ihn gebeten hatte. Vielleicht war sie aber auch nur perplex, weil er sie nicht in der gleichen Weise hofierte, wie er es früher stets getan hatte.
„Wir können uns einen kleinen Aufenthalt leisten, Tarana“, ergriff ich das Wort und bemühte mich um einen Ausdruck von Sanftheit in meiner Stimme, nach der mir im Grunde gar nicht zumute war. Ich war mindestens ebenso darauf bedacht, endlich weiterzuziehen, wie sie auf eine Umkehr hoffte. Natürlich kamen darin auch die grundsätzlich entgegengesetzten Wünsche aus unseren Träumen zum Ausdruck. „Auf jeden Fall habe ich für heute nacht eine lange Rast befohlen.“
„Ich würde lieber die Wanderung fortsetzen, sobald die Stiefel fertig sind“, warf Chel ein, aber ich schüttelte dazu den Kopf.
„Unsere Lebensmittelvorräte könnten eine Aufbesserung durchaus vertragen, wenn deine Krieger schnell genug sind und einige Eidechsen fangen.“
Baltsar erschien hinter Chel und starrte in die Finsternis der Immernachtberge, die von einem weiteren Vulkan vor uns abgeschirmt wurden, doch seine Phantasie füllte aus, was seine Augen nicht sehen konnten, und er erschauerte. „Wenn wir erst einmal dort sind, wird es nicht mehr viel zu jagen geben.“
„Seid Ihr sicher, daß auf der anderen Seite Zwienacht herrscht?“ erkundigte Tarana sich, blickte mit Abscheu in die Richtung, in der unser Ziel lag, und wandte sich dann um und verfolgte sehnsüchtig den Weg zurück, den wir gekommen waren.
„Genau das wollen wir ja herausfinden“, erklärte ich ihr. Sie runzelte die Stirn.
„Werden wir denn die Wolkendecke bald hinter uns haben?“ fragte Chel und nutzte meine erzwungene Umgänglichkeit.
„Ich weiß es nicht“, gestand ich ehrlich. „Wir wandern immerhin gegen den Wind, und ich hoffe, daß wir dort, von wo er herkommt, über uns einen klaren Himmel sehen und die Himmelsbrücke in allen Einzelheiten erkennen können.“
Taranas Akoluthinnen versammelten sich um sie und trafen Anstalten, das Schutzdach direkt über ihr zu errichten. Ich kannte sie als eine physisch kräftige und abgehärtete Frau, jedoch bestand sie darauf, jeglichen Komfort für sich in Anspruch nehmen zu können, den ein Sklave auf seinen Schultern mitschleppen konnte. Wir anderen trugen kleinere Packen mit unseren persönlichen Dingen, doch Taranas Reisegepäck war auf ihr Gefolge verteilt worden, so daß sie überhaupt nichts zu tragen brauchte. Sie hatte überdies mehr als einmal bewiesen, daß sie an der Expedition im Grunde nur wenig Interesse hatte; bis jetzt hatte sie jedoch noch nicht richtig schlappgemacht.
„Nun, wenn wir schon eine Rast einlegen, dann sollten wir wenigstens die Zeit nutzen“, sagte Chel zu seinen Kriegern. „Laßt euer Gepäck einfach liegen, wir gehen auf die Jagd.“
„Genau das habe ich vorhin schon empfohlen“, sagte ich und ließ es nicht zu, daß er so einfach meine Ideen übernahm. Doch Chel schien höchstens verblüfft zu sein, als er seine Last einfach fallen ließ. Sein Interesse galt ausschließlich seinen Kriegern, und er war mit ihnen längst verschwunden, ehe ich ihn zur Rede stellen konnte.
„Wärest du vielleicht bereit, mit mir nach Obsidian zu suchen?“ fragte Baltsar mich.
„Hast du Angst, allein loszuziehen?“
„Ja.“
Ich unterdrückte eine bissige Bemerkung, aber seinen Vorschlag zurückzuweisen bedeutete, daß ich mit Tarana im Lager zurückbleiben müßte, daher stimmte ich zu. Ich führte Baltsar den Hang hinauf, wo es sicherlich einige schneefreien Stellen gab.
„In Wirklichkeit wollte ich gar nicht nach Obsidian suchen“, meinte Baltsar schon nach kurzer Zeit.
„Nun, ich tue es aber“, log ich und ging an der Schutz bietenden Felsformation vorbei, die er abschätzend musterte. „Und halte auch nach Eidechsen Ausschau. Es würde uns bestimmt nicht schaden, wenn wir auch etwas zur Aufbesserung der Vorräte beitragen würden.“ Er folgte mir eine Weile.
„Du
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