Im Schatten des Ringes
Und was noch schlimmer ist, du hast Mussa betrogen, indem du es tatest. Chel, ein Leben lang habe ich deine verletzende Arroganz und deine gemeinen Tricks ertragen müssen.“
„Das ist aber nicht die richtige Art, eine Expedition zu beginnen“, beschwerte Chel sich wütend.
„Daran hättest du früher denken sollen“, meinte ich.
„Du hast gesagt, du führtest …“
„Und das werde ich auch“, schnitt ich ihm das Wort ab. „Aber ich werde dir nie mehr helfen, dein Gesicht zu bewahren, oder dir vergeben, ohne daß du mich ausdrücklich darum bittest.“ Teon hatte meine Füße bandagiert, und ich erhob mich und ignorierte seinen krampfhaften Versuch, nicht zu grinsen. „Ich werde mich jetzt von Sema verabschieden. Geh du dir deinen Segen holen. Ich habe in dem Tempel nichts zu suchen.“ Ich machte auf dem Absatz kehrt und entfernte mich, meinen Schwanz hochreckend wie ein Banner, und suchte nach Sema und Neering.
Die junge Akademerin saß auf einer Veranda und wiegte das Kind. Als sie mich sah, reichte sie mir Sema herüber und sagte:, ‚Du mußt ja glauben, daß außer allen anderen auch Akadem dich im Stich gelassen hat.“
Die Ablehnung in Neerings Worten war eine Herausforderung, doch Sema starrte mich an und konnte mich mit ihren Augen nicht richtig erkennen. Dann zuckte und zitterte ihre Nase, und sie nahm mich völlig in Anspruch. Ich preßte sie an meine Brust, und sie begann sofort zu nuckeln und suchte nach meiner Zitze. „Entschuldige, kleiner Liebling“, sagte ich. Ich wußte, daß sie entweder bereits entwöhnt war oder daß Baltsar jemanden gefunden hatte, der sie stillte. Dabei wurde ich ein wenig traurig bei dem Gedanken, daß sie und ich um den wundervollen Moment gebracht worden waren, in dem sie zum ersten Mal Bereitschaft zeigte, auf die Brust zu verzichten. Allerdings sah sie gesund und kräftig aus, und sie zappelte freundlich und konnte ihren Schwanz kaum stillhalten.
„Der König hat Akadem befohlen, einen Kompromiß einzugehen, um deine Freilassung zu gewährleisten“, sagte Neering.
Zum erstenmal blickte ich sie direkt an und erkannte den beschwörenden Ausdruck in ihrem Gesicht. „Und du wolltest natürlich nicht widersprechen, ehe ich nicht in Sicherheit war. Stimmt’s?“ Der Sarkasmus in meiner Stimme schwang kaum verhohlen mit.
„Nicht ganz. Wir schlugen vor, daß Akadem sich sehr kooperativ zeigen und eine Definition für die Menschlichkeit liefern würde, die auch der Tempel akzeptieren könne, wenn Tarana ebenfalls auf diese Expedition geschickt würde.“
Ich konnte mir geradezu ausmalen, wie der Heiler die verkrampften Muskeln des Königs behandelte und dabei seine Ideen und Vorschläge so behutsam und selbstverständlich vorbrachte, daß der Erobererkönig nachher glauben konnte, daß diese Ideen ganz allein von ihm stammten. „Und nun liegt vor dir eine Saison, in der du ungestört an deiner Feuermaschine arbeiten kannst“, sagte ich bitter und wünschte mir dabei, daß es ein einziges Mal außer mir und Rellar noch jemanden gäbe, der sich mit Tarana auseinandersetzte.
Neerings Lider flatterten vor Verlegenheit. „Es braucht nicht nur bei dieser einen Saison zu bleiben“, sagte sie leise. „Expeditionen sind hart und gefährlich. Tarana könnte in einen Unglücksfall verwickelt werden.“
Meine Ohren richteten sich auf sie, als wollte ich die unglaublichen Worte noch einmal hören. Doch Neering schwieg unter meinem prüfenden Blick. Meine Knie wurden schwach und gaben nach, und ich ließ mich neben ihr auf den Verandastufen nieder. „Will Akadem etwa, daß ich … einen Unfall arrangiere, und dazu noch direkt unter den Augen Chels, ihres Schutzhelm?“
„Er ist der geschicktere Attentäter, aber wir konnten nicht genug zusammenbekommen, um ihn in Versuchung zu führen.“ Neerings Augen blickten nun sehr starr, und ich glaubte schon, in ihrer Iris Flammen zu sehen, wahrscheinlich Reflexe der Feuermaschine, die im hinteren Teil ihres Gehirns Gestalt annahm.
„Bei den Göttern, du hast dich tatsächlich an Chel herangewagt, und er hat dich nicht dem König gemeldet?“
„Vage Andeutungen sind schwer zu beweisen, Heao. Wir glauben außerdem, daß Chel sich bei … einem Unfall nicht einmischen wird, aber wir warnen dich trotzdem, vorsichtig zu sein.“
„Neering, das kann ich nicht tun. Ich … ich kann es nicht! Es läuft allem zuwider, was mein akademischer Meister mir beigebracht hat.“
„Rellar ist tot“, erinnerte Neering mich
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