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Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
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zähe Verhandlungspartnerin, Frau Winkelried.»
    Für einmal stieg Flora nicht auf Unolds flapsigen Ton ein. «Gody, Köbi und Kurt und zwei Menschen ermorden? Die können doch keiner Fliege was zuleide tun.»
    «Ich bin mir nicht sicher. Geigy hat gestern was erwähnt … Könnten Sie sich eine Sache vorstellen, die Ihren Freunden so sehr am Herzen liegt, dass sie dafür töten würden?»
    «Niemals!»
    «Eine Mutter hält ihr Kind immer für unschuldig, bis sie zwischen den Unterhosen die gestohlenen Kaugummis und Computerspiele findet.»
    «Hören Sie, wenn stimmt, was in der Zeitung stand, wurde Morton nicht nur getötet, sondern auch verstümmelt. Und das sollen Gody, Köbi und Kurt getan haben? Ausgeschlossen!»
    «Die Sache mit den Ohren», knurrte Unold verdriesslich. «Keine Ahnung, wie die Presse davon Wind bekommen hat.»
    «Werfen Sie mir ruhig Voreingenommenheit und Betriebsblindheit vor, ich bleibe dabei: Was Sie behaupten, ist ausgemachter Blödsinn.»
    Unold schwieg. «Möglich», sagte er endlich. «Eine ähnliche Diskussion hatten wir letzthin im Team. Der Staatsanwalt kam mit einer Studie, in der es um die Tötungsbereitschaft ging und darum, dass keiner davor gefeit ist.»
    «Sagen Sie doch gleich, dass Sie glauben, ich hätte mit den Musketieren gemeinsame Sache gemacht. Geigy ist ja schon lange dieser Meinung.»
    «Musketiere?»
    Flora errötete. «So habe ich die fünf insgeheim getauft.»
    «Einer für alle, alle für einen. Nicht unpassend. Hören Sie», Unold sah sie eindringlich an, «wenn Sie jetzt ins Kantonsspital fahren, gefährden Sie unsere Ermittlungen. Lassen Sie zuerst Geigy mit Metzger sprechen.»
    «Geigy?» Flora lachte bitter. «Der hat sein Urteil doch längst gefällt. Sie haben ja gehört, was er am Sonntag gesagt hat: Er hält mich für den Kopf der Bande.»
    «Ich kann Sie natürlich nicht zurückhalten», erwiderte Unold, als hätte er Flora nicht gehört, «aber am besten helfen Sie Ihren Freunden, wenn Sie in Ruhe über alles nachdenken. Vielleicht fällt Ihnen etwas ein, das sie entlastet. Eine Bemerkung, die einer von ihnen fallen gelassen hat. Eine Diskussion, die Sie mitbekommen haben. Irgendetwas.»
    Abwesend starrte Flora in die Ferne. «Höchstens bis nach dem Mittagessen. Wenn Sie bis dahin noch immer an Ihrem Verdacht festhalten, rede ich mit Gody.»
    Erleichtert stiess Unold die Luft aus. «Finde ich Sie in Ihrem Imbiss?»
    Flora wurde eine Spur fahler. «Ich dachte, ich gehe auf die Lenzburg, an die ‹Gaunertage›.» Sie sprach leise, als schäme sie sich, unter den gegebenen Umständen an so etwas wie einen Ausflug auf die Lenzburg überhaupt zu denken.
    «Sie sehen nicht aus, als hätten Sie die letzten Tage viel geschlafen. Vielleicht sollten Sie sich besser hinlegen.»
    Flora schüttelte den Kopf. «Ablenken», erwiderte sie müde.
    «Dann begleite ich Sie.»
    «Ich bin doch kein kleines Kind mehr! Zudem stecken Sie mitten in einer Mordermittlung.»
    «Wenn ich eines weiss, dann, dass mich Geigy nach dem gestrigen Abend mit Handkuss einen halben Tag entbehren wird.»
    * * *
    Als sie aus dem Parkhaus der Berufsschule ins Freie traten, goss es in Strömen. Flora fühlte sich ausgelaugt, matt, tot. Der Gedanke, den Schlossberg in diesem Regen hinaufsteigen zu müssen, war ihr zuwider.
    «Gehen wir zu Fuss, oder nehmen wir den Shuttle?» Unold wies auf den roten Kleinbus, der eben dem Parkhaus gegenüber anhielt.
    «Was für eine Frage!»
    Ausser ihnen zwängten sich noch zwei Familien mit ihren zahlreichen Kindern und tropfenden Buggys in das Fahrzeug.
    «Sind Sie sicher, dass sie uns überhaupt hineinlassen?» Unold betrachtete stirnrunzelnd die plappernden Drei- bis Sechsjährigen, die erwartungsfroh auf ihren Sitzen hin und her rutschten.
    Flora zuckte mit den Schultern. «Hinein kommt man immer. Sie werden sich bestimmt amüsieren. Immerhin geht es um ‹Diebe, Vagabunden und anderes Gesindel›, wie es im Flyer heisst. Das ist doch genau Ihr Fachgebiet.»
    Unold musterte sie aufmerksam. «Noch können wir umkehren.»
    «Ich halte Sie nicht zurück. Ich sagte Ihnen doch, ich bin alt genug, um allein zu gehen.»
    Unold blieb, wo er war. «Dann eben nicht», brummte er.

    Statt bis zum Eingang der Lenzburg fuhr der Shuttlebus lediglich bis zum Schlossparkplatz. Die restlichen zwei Drittel des Hügels mussten sie zu Fuss hinaufsteigen. Wenigstens hatte der Regen nachgelassen.
    Obwohl sie es gewesen war, die die ‹Gaunertage› hatte besuchen wollen,

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