Im Schatten des Schloessli
Handyverkehr einzusehen? Einfach so?»
«Natürlich nicht einfach so. Immerhin besteht der Verdacht, dass Käser eine – wie es im Strafgesetzbuch so schön heisst –‹strafbare Handlung gegen Leib und Leben› begangen hat. Wenn das nicht ausreicht, um Einblick in gewisse Daten zu bekommen, weiss ich auch nicht.»
«Sie haben aber nicht das ganze Strafgesetzbuch inklusive sämtlicher Verordnungen und aller ermittlungsrelevanten Bundesgesetze auswendig gelernt?»
«Was dagegen?»
Einige Atemzüge lang taxierten sich die beiden Männer schweigend.
«Lassen wir das», sagte Unold schliesslich. «Ich will von Ihnen lediglich eine Möglichkeit, um herauszufinden, ob und mit wem Käser im näheren zeitlichen Umfeld der beiden Morde telefoniert hat und wo er sich dabei befand.»
«Warum fragen Sie ihn nicht einfach?»
«Weil er mir das – wenn er etwas zu verbergen hat – kaum sagen wird. Und weil ich gern wissen möchte, wo seine Gesprächspartner waren, als sie die Anrufe entgegengenommen haben.»
«Man beachte den Plural. Hegen Sie einen bestimmten Verdacht?»
«Eher ein Bauchgefühl.»
«Ein Bauchgefühl. Wenn ich mit diesem Argument komme, kriegen Sie ihre Daten natürlich umgehend. Das Aargauer Zwangsmassnahmengericht nimmt seine Aufgabe nämlich ganz schön ernst. Da ist nix mit einer Überwachungsmassnahme wegen jedem Scheiss.» Nachdenklich strich sich der Jurist über seine Glatze. «Ich glaube aber, ich kann die Brüder packen. Es gibt da im Zusammenhang mit der Erhebung der rückwirkenden Randdaten ein neueres Bundesgerichtsurteil … Mit wem hat Käser Ihrem Bauch nach telefoniert?»
«Dazu möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt lieber noch nichts sagen.»
«Falls ich das für euch durchboxe», der Staatsanwalt sah Geigy an, «schuldet ihr mir was!»
Geigy winkte ab.
«Ach ja, und da Sie mit Gesetzestexten nur so um sich werfen», wandte sich der Staatsanwalt an Unold, «hier noch ein Zitat aus dem Gedächtnis, speziell für Sie: ‹Betreffen die Erkenntnisse, die aus der angeordneten Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs gewonnen werden, Straftaten einer Person, die in der Anordnung keiner Straftat verdächtigt wird, muss vor der Einleitung weiterer Ermittlungen die Zustimmung der Genehmigungsbehörde eingeholt werden. Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs›, Artikel neun, Absatz zwei.»
«Amen.» Geigy faltete die Hände. «Johannes würde dich lieben.»
* * *
«Heilandsack! Der Herr Staatsanwalt muss denen gewaltig Feuer unter dem Hintern gemacht haben.» Geigy beugte sich über die Aufstellung, die Nasser eben vorbeigebracht hatte. «Normalerweise dauert das ewig.»
«Die schulden der Staatsanwaltschaft wohl ebenfalls einen Gefallen.»
«Wer nicht. Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, Unold, dann wählen Sie Ihre Freunde berufsbezogen aus: Arzt, Zahnarzt, Anwalt, Steuerexperte und Barkeeper sind ein Muss. Sonst stehen Sie bald mit abgesägten Hosen da.»
«Bisher kann ich nur mit einem Polizeikommandanten dienen. Und mit der Inhaberin einer Imbissbude.» Unold lächelte. Gleich wurde er wieder ernst. «Frau Winkelried steht nicht auf der Liste, oder?»
«Nein. Die ist überhaupt eher bescheiden. Die Liste, meine ich.»
«Zeigen Sie mal her … Ein Fan der Telefonie scheint Hans-Jakob Käser wirklich nicht zu sein.»
«Und auch keiner der Frauen. Bis auf eine Margrit Lehmann hat er offenbar nur mit Männern gesprochen.»
«Lehmann? Nie gehört.»
«Würde mich auch wundern. Ausser Sie haben ein Alkoholproblem. Laut der Anmerkung von Liam ist die Frau Gruppenleiterin bei den ‹ AA ›. Aber vielleicht kennen Sie die beiden hier.» Geigy tippte mit dem Finger auf die Tabelle am Ende der Übersicht, wo sämtliche Gesprächspartner Käsers – nach Anzahl der Anrufe sortiert – nochmals aufgeführt waren.
Unold wurde blass.
«Volltreffer?»
«Teiltreffer. Das macht’s aber nicht besser.»
«So wie Sie aussehen, können Sie einen vertragen.» Geigy nahm den Steinhäger aus dem Ablagefach, wählte unter den diversen Gläsern, die auf seinem Schreibtisch herumstanden, die zwei saubersten aus und füllte sie zu einem Drittel mit dem Branntwein.
Unold versuchte gar nicht erst, den Drink abzulehnen, sondern kippte ihn in einem Zug.
Väterlich drückte ihm Geigy die Hand. «Nach einem guten Schnaps ist die Welt schon fast wieder in Ordnung.»
«Ach ja? Die wievielte Flasche ist das seit Dienstag? Wenn Sie recht haben, müsste Ihre
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