Im Schatten des Teebaums - Roman
Hause ganz allein für einen Artikel zu recherchieren, herrlich aufregend. »W enn meine Eltern nichts dagegen haben, lassen Sie mich dann gehen?«
George seufzte, dachte kurz nach und erwiderte: »Also gut, meinetwegen. Aber nur, wenn sie wirklich einverstanden sind.« Wie er Henrietta Dickens kannte, würde sie ihrer Ältesten die Fahrt nach Tantanoola sowieso nicht erlauben, deshalb ging ihm seine Zusage leicht über die Lippen. »Sie müssen mir aber heute noch Bescheid geben, Eliza. Die South Eastern Times in Millicent wird garantiert auch jemanden schicken, und ich will nicht, dass sie uns die Story vor der Nase wegschnappen.«
»Keine Sorge, Sir«, entgegnete Eliza aufgeregt. »Ich werde gleich mit meinen Eltern reden und Ihnen sofort Bescheid sagen.«
Henrietta Dickens reagierte panisch, als ihre Tochter ihr erklärte, dass sie nach Tantanoola fahren wolle und weshalb das so wichtig für sie sei.
»T antanoola? Das kommt überhaupt nicht in Frage, Eliza!«
Eliza hatte zwar mit Einwänden gerechnet, aber nicht mit einem kategorischen Nein. »Das ist die beste Story seit Wochen, Mom! Eine einmalige Chance für mich! Dann kann ich Mr. Kennedy endlich zeigen, was in mir steckt. Ich muss einfach dahin!«
»Das ist viel zu gefährlich, Eliza. Ein Tiger! Ich werde nicht zulassen, dass meine Älteste bei dem Versuch, eine Story zu bekommen, von einem Raubtier gefressen wird.«
Eliza verdrehte die Augen angesichts dieser dramatischen Übertreibung. »Um Himmels willen! Ich hab doch nicht vor, auf Tigerjagd zu gehen. Mr. Kennedy interessiert sich für den menschlichen Aspekt der Geschichte … wie die Farmer mit der Situation umgehen und solche Dinge.« Dass sie im Hotel würde übernachten müssen, hatte sie vorsichtshalber noch nicht erwähnt. Eins nach dem andern, sagte sie sich.
»Ich habe Nein gesagt, Eliza. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören«, erwiderte Henrietta energisch.
Eliza wunderte sich über diese unnachsichtige Strenge. Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke. »Du willst nicht, dass ich nach Tantanoola fahre, weil Tante Matilda dort lebt. Das ist der wahre Grund, stimmt ’ s?«
Henrietta sprach nur selten von ihrer einzigen Schwester, und wenn, bezeichnete sie Matilda stets als das schwarze Schaf der Familie. Die beiden Schwestern hatten das letzte Mal Kontakt gehabt, als Eliza noch gar nicht auf der Welt gewesen war. Henriettas Miene verriet Eliza, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag.
»Lass Matilda aus dem Spiel«, erwiderte Henrietta mit versteinerter Miene. »W ieso nimmst du dir nicht ein Beispiel an Katie? Die käme nie auf eine so verrückte Idee!«
»W eil sie so langweilig ist wie eine Wasserpfütze.«
»Sei nicht so grausam, Eliza«, tadelte ihre Mutter. »Katie hat eine gute Anstellung in Miss Beatrice’ Bekleidungsgeschäft und ist mit einem netten jungen Mann befreundet, den eine glänzende Zukunft erwartet. Eines Tages wird Thomas das Möbelgeschäft seines Vaters erben, und Clarkes Möbelhaus läuft ausgezeichnet.«
Eliza machte ein zerknirschtes Gesicht. Sie hatte ihre Schwester nicht beleidigen wollen. Sie liebte Katie. Die gemeine Bemerkung war ihr nur herausgerutscht, weil sie sauer auf ihre Mutter war. »Ich bin aber nicht Katie, und ich wünschte, du würdest sie mir nicht ständig als Vorbild hinstellen. Ich liebe meinen Beruf, ich will eine gute Reporterin werden, und jetzt habe ich die Chance auf einen sensationellen Artikel.«
»Ich will dich ja nicht davon abhalten, Artikel zu schreiben, Eliza. Ich will nur nicht, dass du das ausgerechnet in Tantanoola tust.«
»W arum denn nicht?«, beharrte Eliza. »Sag jetzt bloß nicht, weil du Angst hast, ich könnte vom Gegenstand meiner Geschichte gefressen werden! Ich bin neunzehn und kein Baby mehr.«
»Eben. Anstatt in der Weltgeschichte herumzureisen, solltest du dir lieber einen netten jungen Mann suchen und eine Familie gründen«, sagte Henrietta. Es war ihr unbegreiflich, wie ihre Tochter all die jungen Männer, die sichtlich Interesse an ihr zeigten, einfach ignorieren konnte. »Katie ist zwei Jahre jünger als du und wird wahrscheinlich noch vor dir zum Traualtar schreiten.«
»Soll sie doch«, gab Eliza achselzuckend zurück. »Ich will nicht wie Katie sein, Mom, oder wie du. Ich will mehr vom Leben, als Ehefrau und Mutter einer Horde von Kindern zu sein, denen ich ständig die Nase putzen muss. Dafür habe ich noch Zeit genug, wenn ich älter bin.«
Henrietta presste die Lippen
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