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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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die nächsten Gäste gehen.«
    »Mach ich«, sagte Sherry, und Cate ging in den Flur, wo sie die lange, steile Treppe hinaufstieg.
    Sie hatte für sich und die beiden Buben die vorderen Zimmer behalten und die Zimmer mit dem schönsten Ausblick für ihre Gäste reserviert. Treppe und Gang waren mit Teppich ausgelegt, sodass ihre Schritte nicht zu hören waren, als sie oben an der Treppe nach rechts bog. Sie konnte sehen, dass die Tür offen stand, aber sie hörte keine Stimmen. Sie lächelte; das war ein gutes Zeichen.
    In der Tür blieb sie stehen und schaute den beiden eine Minute lang zu. Tucker saß auf seinem Stuhl und zupfte mit gesenktem Kopf und vorgeschobener Unterlippe an seinen Fingernägeln. Tanner saß auf dem Boden, schob ein Spielzeugauto über eine schiefe Ebene, die er aus einem an sein Bein gelehntes Kinderbuch gebastelt hatte, und gab dabei halblaute Motorengeräusche von sich.
    Ihr wurde das Herz eng, als die Erinnerung sie überkam. An ihrem ersten Geburtstag, nur wenige Monate nach Dereks Tod, war eine ganze Lawine an Geschenken über die beiden hereingebrochen. Cate hatte ihnen nie Motorengeräusche vorgemacht; sie waren gerade damit beschäftigt, laufen zu lernen, und spielten vor allem mit weichen Plüschtieren, Sachen zum Krachmachen oder Lernspielen, mit denen Cate ihren Wortschatz und ihre Koordination schulte. Als Derek starb, waren sie noch zu jung gewesen, als dass er je mit ihnen Auto gespielt hätte, und sie wusste genau, dass ihr eigener Vater es auch nicht getan hatte. Ihr Bruder, dem sie das zugetraut hätte, lebte in Sacramento, und sie hatte ihn seit Dereks Tod nur ein einziges Mal gesehen. Ohne dass ihnen jemand gezeigt hätte, wie man Motorengeräusche macht, hatten sie je eines ihrer neuen, dicken, knallbunten Plastikautos gepackt, sie hin und her geschoben und dabei etwas gesagt, das wie »uuuu-dden, uuu-dden« klang, sogar den Gangwechsel hatten sie nachgeahmt. Fassungslos hatte sie ihren Kindern zugeschaut und erstmals erkannt, dass ein wesentlicher Teil ihrer Persönlichkeit schon festgelegt war und sie als Mutter zwar ihre Instinkte schärfen konnte, aber bestimmt nicht die Macht hatte, ihre Psyche nach Belieben umzuformen. Sie waren so, wie sie waren, und sie liebte jede Faser, jedes Molekül an ihnen.
    »Zeit zum Tauschen«, sagte sie, und Tucker hüpfte mit einem Seufzer der Erleichterung aus dem Stuhl. Tanner ließ das Spielzeugauto los und den Kopf auf die Brust sinken, ein Sinnbild Mitleid heischender Niedergeschlagenheit. Er zog sich hoch, als hingen an seinen Füßen so schwere Gewichte, dass er kaum laufen konnte. So langsam, wie er sich bewegte, hätte man meinen können, dass er vor dem Schulalter den Stuhl nicht mehr erreichen würde. Doch schließlich war er angekommen, ließ sich auf die Sitzfläche fallen, und sein Körper sackte zusammen.
    »Zehn Minuten«, wiederholte sie und kämpfte erneut gegen ein Lachen an. Ganz offensichtlich hatte er das Gefühl, dem Untergang geweiht zu sein; seine Körpersprache verriet nur zu deutlich, dass er keine Hoffnung mehr hegte, vor seinem Tode aus dem Auszeitstuhl erlöst zu werden.
    »Ich war bwav.« Tucker lehnte sich an ihre Beine. »Ich hab’ gar nicht gespwochen.«
    »Das war sehr tapfer«, sagte Cate und fuhr mit den Fingern durch sein dunkles Haar. »Du hast deine Strafe wie ein Mann auf dich genommen.«
    Er sah mit großen blauen Augen zu ihr auf. »Wirklich?«
    »Wirklich. Ich bin stolz auf dich.«
    Seine kleinen Schultern streckten sich durch, und er sah nachdenklich zu Tanner hinüber, der ganz so aussah, als würde er jeden Augenblick dahinscheiden. »Bin ich besser wie Tannah?«
    »Tanner«, korrigierte Cate.
    »Tan-ner.«
    »Sehr gut. Als Tanner.«
    »Alz Tanner.« Er zischte wie eine Schlange.
    »Lass dir einfach Zeit, dann machst du beim Sprechen gar keine schlechte Figur.«
    Verwirrt legte er den Kopf schief. »Was ist eine Fick-Uhr?«
    »Tucker!« Entsetzt erstarrte Cate und sah ihn mit offenem Mund an. »Woher hast du dieses Wort?«
    Wenn überhaupt, sah er sie noch verwirrter an. »Du hast das gesagt, Mommy. Du hast gesagt >Fick-Uhr.<«
    »Figwr, nicht Fick-Uhr!«
    »Oh.« Er zog die Stirn in Falten. »Und was ist eine Fig uah?«
    »Vergiss es.« Vielleicht war es reiner Zufall; vielleicht hatte er das Wort »Fick« noch nie gehört. Schließlich klangen die beiden Wörter wirklich ähnlich, da war es nicht so leicht, sie zu unterscheiden. Vielleicht würde er das Thema vergessen, wenn sie die Sache

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