Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)
Angst haben wir alle.
Der Unterschied liegt in der Frage wovor.
Kapitel 1
Auf leisen Sohlen schleiche ich durch eine mir völlig unbekannte Welt und doch scheint sie mir vertraut. Schließlich wandele ich doch beinahe jede Nacht durch diese tonlose Stille und jedes Mal fühlt es sich an, als wäre ich taub. Es ist eine Welt, wie ich sie in meinem täglichen Leben erlebe. Dieselben Straßen, Häuser, Geschäfte, selbst die parkenden Autos in dieser Straße sind mir vertraut. Allerdings sind sämtliche Schriftzüge spiegelverkehrt. Alles ist spiegelverkehrt, aber selbst diese Tatsache bereitet mir keine Schwierigkeiten. Viel schlimmer empfinde ich den herrschenden Zustand der Geräuschkulisse. Es gibt nämlich keine. Völlige Geräuschlosigkeit. Absolute Grabesstille. Das Seltsame an dieser Welt ist, dass sich nichts bewegt. Es fahren keine Autos durch die nächtlichen Straßen, keine Spaziergänger, die des Nachts einen ruhelosen Spaziergang unternehmen, weil sie nicht schlafen können. Der Pub am Ende der Straße ist beleuchtet, aber es kommt niemand heraus, auch geht niemand hinein. Doch selbst das ist nicht mein größtes Problem, immerhin würde diese Trostlosigkeit - diese Menschenleere - erklären, warum es so still ist, aber das ist es nicht. Es gibt keinerlei Geräusche. Selbst dann nicht, wenn ich laut auf den Boden stampfe. Schließlich sollte ich wenigstens meinen eigenen Atem hören, meinen Herzschlag vielleicht. Ich könnte schreien oder einfach etwas sagen, doch man kann es nicht hören. Dieser Zustand macht mir mehr Angst, als alles andere.
Meine Blicke schweif en über die Straße, ein vertrauter Anblick, denn ich wohne schon seit vielen Jahren in dieser Straße, und doch habe ich Angst vor der Stille, der absoluten Tonlosigkeit. Ich gebe einen lauten Schnaufer von mir, doch höre ich ihn nicht. Ein ungewohntes, erschreckendes Gefühl und dennoch kann ich mich nicht beherrschen. Erwartet hätte ich ein Stöhnen zu hören, doch es bleibt still.
Angsterfüllt überquere ich die Straße zu meiner Wohnung, a ngestrengt meine Schritte zu hören. Das Geräusch bleibt einfach aus.
Ich habe eine schöne, sehr gemütliche Wohnung. Selbst spiegelverkehrt macht sie einen guten Eindruck. Immerhin hatte ich sie über Jahre liebevoll eingerichtet. Immer wieder ein wenig, wie das Geld es zuließ. Selbst mein Bruder sprach erst jüngst sein Lob darüber aus, und das, obwohl er mich nicht sonderlich mag. Außerdem hält er mich für verrückt, wegen meiner seltsamen Träume.
Meine Therapeutin mutmaßt hingegen, dass er mit meinem Zustand nicht zurecht kommt und sich deshalb unreif verhält. Ich musste jedes Mal lachen, wenn sie ihn für unreif erklärte, immerhin ist er ein hohes Tier bei der Polizei, leitender Ermittler bei der Drogenfahndung.
Mein Bruder , Wolf, ist ein knallharter Bulle, und ich, Peter, das Weichei der Familie, arbeite als Tellerwäscher in der Küche eines Schnellimbisses. Möglicherweise ist es ihm peinlich, dass ich es nie zu etwas gebracht habe.
Endlich erreiche ich meine Haustüre und z iehe meinen Schlüssel aus der Hosentasche. Das Schlüsselloch ist auf der spiegelverkehrten Seite der Tür, wie auch der Türknauf. Ich schiebe den Schlüssel hinein und drehe ihn nach links, nur um festzustellen, dass sie nicht abgesperrt ist. Das passiert mir in dieser Welt des Öfteren. Mit geringem Widerstand öffnete sich die Tür und ich trete ein. Wie üblich stoße ich die Tür mit festem Schwung zu und werfe mich auf die Couch. Für so manchen Europäer ungewohnt, aber meine Haustür führt direkt ins Wohnzimmer und meine Couch steht nur wenige Meter von der Türe entfernt. Ich liebe es, so wie es ist, weil ich mich direkt auf mein geliebtes Sofa fallen lassen kann. Ich zelebriere es regelrecht und am meisten liebe ich das knautschige Geräusch, das entsteht, wenn ich mit meinem Körpergewicht darauf falle, doch diesmal höre ich nichts. Kein Knautschen oder Quietschen, kein Knarren oder das Geräusch, welches entsteht, wenn die Luft aus den Kissen gedrückt wird, einfach nichts. Normalerweise fühle ich mich sauwohl, wenn ich auf die Couch falle, aber jetzt springe ich sofort angsterfüllt auf die Beine. Wie erwartet, selbst dieses Geräusch bleibt aus. Wieder gebe ich ein selbstgefälliges Stöhnen von mir und rolle mit den Augen, doch als auch mein kräftiges Ächzen ausbleibt, habe ich genug und marschiere ins Bad.
Panikerfüllt fällt mein Blick in den Spiegel
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