Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)
vergessen, was passiert ist.“
Fuller verbeugte sich mit einer schlaffen Geste, mi r schien, er hätte aufgegeben.
„Das ist nicht dein Ernst. Ich habe dich mehrmals mit dem Tod konfrontiert und du willst es vergessen?“
Wolf nickte zustimmend.
„Blicken wir nach vorn und spielen mit offenen Karten. Ich weiß, dass du dich liebevoll um deinen Bruder kümmerst, seit deine Eltern gestorben sind. Du warst gerade mal siebzehn. Ich weiß, wer du bist. Ein schweres Los. Du hast dich als ehrenhafter Bruder erwiesen, hast dich durchgeschlagen um deinem kleinen Bruder ein gutes Leben zu ermöglichen. Das macht dich zu einem guten Menschen. Deshalb biete ich dir einen wirklich guten Deal an und empfehle dir, ihn anzunehmen.“
Ich war völlig baff. Wollte mein Bruder ihn einwickeln, oder was sollte das? Ich kenne meinen Bruder, seinen Blick deutete ich als ernsthaft und ehrlich, aber hier und heute sprach er mit einem Killer, einem Massenmörder wie er im Buche stand. Ich war über alle Maßen gespannt, was er ihm anzubieten hatte.
„Dein Bruder fühlt sich nicht wohl bei uns“, erklärte Wolf, „und ich versichere dir, er wird im Knast erst recht untergehen. Für ihn ist das die Hölle auf Erden. Ich lasse deinen Bruder frei und lege noch eins obendrauf. Ich besorge ihm einen ordentlichen Job. Er wird sich optimal in die Gesellschaft integrieren und ich werde aufpassen, dass er diesen Pfad nicht verlässt. Als Gegenleistung erhalte ich ein vollständiges Geständnis von dir. Das ist mein Angebot. Was sagst du?“
Fuller blickte nach oben zur Decke, doch so , wie ich die Dinge sah, überlegte er nicht, er freute sich einfach nur.
„Was geschieht mit mir?“, fragte er leise.
Wolf schüttelte den Kopf. „Ich kann nur einen retten. Was dachtest du? Drogenhandel und Mord, du wirst dich verantworten müssen. Dein Bruder wird dich regelmäßig besuchen, aber ich fürchte, aus der Geschichte kommst du nicht mehr raus. Aber du kannst deinen Bruder retten. Wenn du dich freiwillig stellst, kann dein Bruder ein normales Leben führen. Tu es für ihn.“
„Und du verschaffst ihm einen ordentlichen Job?“
„Seinen Fähigkeiten entsprechend. Du hast mein Wort.“
Fuller legte die Waffe auf den Teppich und schob sie zu Wolf. Wolf nahm sie an sich und zog ein paar Handschellen heraus, warf sie Fuller zu und sagte:
„Leg sie dir an.“
Fuller zögerte wenige Sekunden, während er Wolf nicht aus den Augen ließ. Wolf nickte ihm zu. Schließlich schlüpfte Fuller mit den Händen hinein und drückte sie zu. Mit einem Klicken rasteten die Schellen ein und Fuller war gefesselt, ganz ohne Gegenwehr. Wolf erhob sich langsam.
„Bist du bereit?“
Fuller nickte und erhob sich ebenfalls, während Wolf ein Handy herauszog und eine Taste drückte.
„Kommen Sie rein“, sprach Wolf ins Telefon und legte wieder auf. Sekunden später traten vier Beamte ein. Zwei Männer nahmen Fuller zwischen sich und führten ihn ab, während die anderen beiden den Tatort sicherten. Wolf gab noch letzte Anweisungen dann zog er mich am Arm mit hinaus. Er flüsterte mir zu:
„Mit dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen, du Irrer.“
Ich wusste, was er meinte und er hatte recht. Eine Standpauke war das Mindeste, was ich zu erwarten hatte, hatte ich mich doch zum wiederholten Male in Gefahr gebracht, indem ich Hamann überredete, mich in die Höhle des Löwen mitzunehmen. Niemals hätte ich gedacht, dass die Sache so gewaltlos ablaufen würde, sah es doch eine Weile so aus, als würde ich dabei sterben. Das Sprichwort mit dem blauen Auge war treffender denn je und ich trottete Wolf ins Treppenhaus hinterher. Diese Wohnung lebend zu verlassen, erfüllte mich mit einer Art Lebensfreude, die ich so schnell nicht wieder ablegen würde. Aus dieser Sache hatte ich viel gelernt. Wenn ein Mensch dem Tod ins Auge blickt, spürt er das Leben so intensiv, dass er es nie mehr missen möchte und sollte er eine zweite Chance erhalten, so wird er das Leben nachhaltig mit anderen Augen betrachten und sich beharrlich daran klammern. Ich nahm mir fest vor, das Leben ab sofort ausgedehnter zu genießen, das Streben nach Glück mit Taten zu unterstreichen und meinen Kampf gegen die Ängste intensiv zu beginnen. Meine Therapeutin würde mir dabei helfen müssen, aber ein erster Schritt war mit diesem Gedanken bereits getan.
Als wir im Erdgeschoss ankamen und auf den Ausgang zugingen, hallten zwei ohrenbetäubende Schüsse von draußen in den
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