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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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von mir. Wo ist Alice? Sie träumt. Ich fahre mit einem Segelbett, wie der kleine Häwelmann, durch den nächtlichen Himmel. Indessen wurde das Ei immer größer und menschlicher. Als Alice ein paar Schritte von ihm entfernt war, sah sie, dass es Augen, Nase und Mund bekam. Jemand bestellt Champagner. AK fährt seine letzte Runde und sitzt dann auf der Veranda und schaut auf den dunklen See. Sein Telefon leuchtet in seiner Manteltasche. Bald bin ich wieder bei dir. Am liebsten würde ich den Club mit Mahler beschallen, aber die würden sagen, ich bin verrückt. Als Cora ins Zimmer kommt, sitzt da ein kleines schwarzhaariges Mädchen mit weißem Kleid auf der Bettkante. Das glaubt mir doch keiner, dieses Lächeln.

    »Scheint es dir nicht absurd, dass der Sex überall regiert, in allen Medien, im Internet, in der Werbung, überall, dass aber das uralte Gewerbe der Prostitution immer noch gesellschaftlich geächtet ist. Oder ist es das nicht, und ich sehe das falsch?«
    »Nein, du siehst das schon so, wie es ist. Vor einigen Wochen oder Monaten, ich glaube, wir haben schon bei unserem letzten Treffen darüber gesprochen, gab’s diesen ›Tatort‹.«
    »Du guckst regelmäßig ›Tatort‹?«
    »Wenn es möglich ist, ja.«
    »Entschuldige, dass ich kurz deinen beziehungsweise unseren Gedankengang unterbreche, wir kommen gleich drauf zurück, aber hast du einen Lieblingsermittler, ein Team oder einen Kommissar, die du besonders gerne siehst?«
    »Ach, ich habe da jetzt keine speziellen Vorlieben. Die Münchener sieht meine Frau am liebsten.«
    »Batic und Leitmeier?«
    »Ja, genau die. Den Axel Prahl fand ich mal ganz gut mit diesem Boerne, aber das hat sich bisschen abgenutzt. Und früher, da war ich, ja, das kann man schon so sagen, ein richtiger Schimanski-Fan.«
    »Schimmi fandst du gut?«
    »Ja, das war schon ein guter Typ. Zusammen mit seinem Kollegen, diesem Spießer, der war auch wunderbar. Ich habe übrigens so einen Festplattenrekorder, der nimmt mir das alles auf, wenn ich, und das ist oft, wegen dem Betrieb, nicht gucken kann. Solltest du dir auch zulegen. Oder hast du schon?«
    »Nein. Aber macht schon Sinn.«
    »Die, die hier in der Stadt unterwegs sind, finde ich ehrlich gesagt richtig scheiße.«
    »Also diese beiden Kommissare, die kleine Dunkle und dieser Typ.«
    »Ja, der hat auch so ’n lächerlichen Mini-Schnäuzer.«
    »Obwohl, die letzte Folge ging.«
    »Der mit diesen Kids, die in der Straßenbahn geprügelt haben?«
    »Ja.«
    »Ja, der war ganz o.k.«
    »Aber du sprachst gerade von diesem ›Tatort‹, der dich wohl etwas verärgert hat … War das der, der in H. spielt, wo’s um diese Motorradgang ging?«
    »Ja, der. So in etwa. Das war, muss ich sagen, an Dummheit und Unwissenheit kaum zu überbieten.«
    »Man versuchte, sich authentisch zu geben, aber im Prinzip war es doch die reine Kolportage. Willst du darauf hinaus?«
    »Natürlich. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob wir das nicht schon bei einem unserer letzten Gespräche abgehandelt haben.«
    »Ich auch nicht. Da war doch der böse Chef dieser den Engeln nachempfundenen Truppe. Die mit den Wegwerfmädchen handelten und sie dann auch tatsächlich auf dem Müll entsorgten.«
    »Natürlich ist es ein Film. Und es muss da natürlich einen gewissen Spannungsbogen geben. Auch was diese lächerlichen Verquickungen mit der Politik anging. Aber es gab da diese eine Szene, in der die Kommissarin, diese blonde Kommissarin, ihren Freund fragte, ob er schonmal bei einer Hure gewesen ist.«
    »Ich kann mich jetzt nicht konkret daran erinnern.«
    »Er druckst jedenfalls rum, und sie ist zutiefst erschüttert. Das ist diese Art der gemalten, der weichgezeichneten Verlogenheit, die mich ankotzt. Und natürlich das Bild der Engel, also wie dieser Retortenverein, der der GmbH nachempfunden ist, da dargestellt wurde. Und das dunkle Rotlicht, das nur unter einem Zwang existiert. Bei Günther Jauch, also nach diesem ›Tatort‹, behaupteten sie doch tatsächlich, neunzig Prozent aller Prostituierten wären Zwangsprostituierte. Als würde es so etwas wie das Prostitutionsgesetz, was ja durchaus noch verbesserungswürdig ist, gar nicht geben. Und das Wissen über dieses alte Geschäft, die Geschichte, die Mythen, das ist doch auch die Geschichte unserer Geschichte, unserer Jahrhunderte.«
    »Wie meinst du das jetzt?«
    »Zum Beispiel haben wir da ja jetzt unseren deutschen Papst. Nicht, dass mich das irgendwie tangiert, aber dass es da einen Pius den

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