Im Tal der bittersüßen Träume
einen guten Nachbarn gehörte. Aber da wußte Paddy bereits von seiner Kreatur Tenabo, daß Dr. Högli ein paar Tage zuvor mit einem Jeep in die Berge gefahren war und einige Peyotl-Felder besichtigt hatte.
»Sie leben wie im Paradies«, sagte Dr. Högli, nachdem er einen eisgekühlten Fruchtcocktail getrunken hatte. Das war nicht übertrieben. Paddys Haus lag in einem üppigen Park, in dem das Wasser durch künstliche Bachläufe plätscherte, gespeist von einem Tiefbrunnen, der unermüdlich Wasser hergab. Und wo Wasser ist, verschenkt die Natur all ihren Zauber an Blüten und Duft. An diesem luxuriösen herrschaftlichen Besitz störte nur die hohe Mauer, und die um die Mauer verteilten Wachttürme störten noch mehr. Es war eine paradiesische Festung, eine kleine, abgeschlossene Welt voll Saft und Kraft inmitten einer sandigen, felsigen, glutenden Einöde.
»Sie leben auch nicht schlecht, Doktor«, sagte Paddy und musterte den Arzt nachdenklich. Ein anderer Typ als Pater Felix, dachte er. Der Priester ist ein hagerer Asket – das sind die gefährlichsten Aufwiegler. Dr. Högli ist jung, mit jugenhaftem Charme, hat einen sportlichen Körper und treue Augen. Ein Arzt, der bei seinem Leisten bleiben und nicht wie der Priester mit dem Sozialismus kokettieren wird. Tenabo ist ein Rindvieh!
»Gestern wurde ich beschossen.« Dr. Högli winkte ab, als Paddy ihm eine Kiste mit Zigarren hinschob. »Oben in den Bergen. Ich ritt an einem Kaktusfeld vorbei, da pfiff es mir um die Ohren …«
»Indios!« Paddy lächelte milde. »Sie jagen dort und können doch nicht schießen. Es ist immer das gleiche.«
»Sie wurden auch schon beschossen?« fragte Dr. Högli.
Paddy hob die dicken Augenbrauen. »Nein! Vielleicht jagten da gerade keine Indios.«
»Ihr Glück!« Dr. Högli stand auf, der Antrittsbesuch war beendet. Man hatte sich berochen und man mochte sich nicht, das war jetzt klargeworden. »Kennen Sie 3,4,5-Trimethoxyphenyl-ß-aminoäthan?«
»Nein!« sagte Paddy steif.
»Es ist der chemische Name für Meskalin. Es wächst vor Ihrer Haustür. Sie sollten so einen kleinen Kaktus nie zu Gemüse verarbeiten …«
Von diesem Augenblick an wußte Jack Paddy, daß Dr. Högli der zweite große Gegner geworden war.
Man sah sich nun nicht mehr. Die Indios ließen sich im ›Hospital Henri Dunant‹ behandeln, die Frauen brachten dort ihre Kinder zur Welt, die armseligen Behausungen wurden dank Dr. Höglis Aufklärungsarbeit sauberer, es gab sogar Badetage im Hospital, einmal wurden die Männer, ein anderes Mal die Frauen in großen Holzbütten gewaschen.
›Padre Riccardo‹ – so nannten die Indios bald Dr. Högli. Vater Riccardo.
»Es ist zum Kotzen!« sagte Jack Paddy, als ihm ein bestochener Indio verriet, daß am Sonntag zwar die Kirche leer war, daß nun aber die Gläubigen nach Einbruch der Dunkelheit ins Gotteshaus schlichen, wann immer sie wollten. Pater Felix war zur Stelle, taufte und schloß Ehen, tröstete die Verzweifelten und predigte über Gerechtigkeit und Menschenwürde. »Der eine salbadert, der andere macht's mit Spritzen und Tabletten«, sagte Jack Paddy. »Der eine wäscht die Seele rein, der andere steckt sie einfach in Bottiche. Und beide sind Narren! Man sollte sie in Ruhe lassen; ein Esel, den man nicht prügelt, schlägt nicht zurück.«
Nun aber hatte es sieben Monate lang nicht geregnet. Santa Magdalena verdorrte. Das Vieh starb dahin, die Menschen schrumpften zusammen … Nur die Rausch-Kakteen wuchsen auf den heimlichen Bergfeldern. Paddy rechnete sich aus, was er verdienen würde. Es war weniger als erhofft, denn der Hanf stand schlecht. Die automatischen Sprühanlagen blieben ohne Wasser, weil sich die Indios unter die Strahlen stellten und es in ausgehöhlten Kürbissen oder Leder sacken auffingen.
Wasser! Wasser!
Eine Woche lang hieben Antonio Tenabo und seine Aufseher mit Lederpeitschen auf die Indios ein – es nützte nichts. Wo Wasser auftauchte, wurde es gestürmt. Man war sogar bereit, sich dafür zum Krüppel schlagen zu lassen. Nur trinken, Herr im Himmel, einmal richtig trinken, die geschwollene Zunge im Wasser baden, den sandigen Rachen ausspülen … Trinken!
»Abstellen!« hatte Paddy befohlen. »Alle Sprühanlagen abstellen! Die Löhne werden um die Hälfte gekürzt.«
Dann ließ er das große Tor in der hohen Mauer schließen, besetzte die Wachttürme mit Scharfschützen und wartete ab. Sein großer tiefer Brunnen versiegte nie. In seinem Garten drehten sich die
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