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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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spritzte er sich gegen die unmännlich geröteten Augen Wasser ins Gesicht und blickte durchs Bullauge, bis der Kai ganz nahe war. Er sah seine Mutter, eine elegante Gestalt in Schwarz, still hinter einer kleinen Gruppe von Leuten stehen, die ungeduldig warteten, dass das Schiff festmachte.
    Edward überprüfte im Spiegel seinen schwarzen Anzug, den steifen Kragen und die schwarze Krawatte, atmete tief durch, nahm seinen Zylinderhut und begab sich aufs Oberdeck.
    Beim Verlassen des Landungsstegs winkte er und eilte zu seiner Mutter. Da konnte Georgina nicht mehr an sich halten. Sie lief zu ihm und warf sich unter einem Tränenstrom in seine Arme.
    »Es tut mir so leid, Mutter«, sagte er und musste ebenfalls wieder weinen; dennoch brachte er ein Lächeln zustande.
    »O Edward, mein Liebling, du bist zu Hause. Du bist zu Hause! Es tut so gut, dich zu sehen.«
     
    Sie war etwa neunzehn Jahre alt, eine magere, sehnige Frau mit drahtigem, schwarzem Haar, das aus dem kantigen Gesicht zurückgebunden war, und sie hatte einen Säugling auf dem Rücken. Sie trug ein zerlumptes Hemd, eine staubige Latzhose und einen Fransenschal, jedoch keine Stiefel – das übliche bunte Sammelsurium einer Ureinwohnerin, die es in die Welt der Weißen verschlagen hatte.
    Ungeachtet ihres eigentümlichen Aufzugs, näherte sie sich den drei Reitern mit einem Selbstvertrauen, das diese erschreckte, auch wenn ihre Stimme freundlich war.
    »Du Boss hier, ja?«, wandte sie sich an Paul.
    Er blickte zu ihr hinunter, erstaunt über den Gleichmut in ihren dunklen Augen. Ihm war, als wäre ihm plötzlich eine gütige Macht begegnet.
    »Was willst du?«, stammelte er.
    »Onkel hier finden!« Sie wies in die Richtung des Schwarzenlagers, das unweit der westlichen Grenze der Mango-Hill-Station lag. »Alter Mann, Guringja sein Name.«
    »He, Boss! Schauen Sie mal«, rief Sam und griff nach seinem Gewehr, »da drüben!«
    »Ach du lieber Himmel!«, stieß Noah, der andere Viehhüter, hervor.
    Auf einer erhöhten Felskante, kaum einen Steinwurf von ihnen entfernt, stand ein hünenhafter Aborigine-Krieger in vollem Ornat. Sein Haar war aufgetürmt und mit Kakadufedern geschmückt. Auf sein rabenschwarzes Gesicht, in dessen Nase ein Knochen steckte, waren weiße Striche gemalt, und von seinen Kinnbacken standen schwarze Haarbüschel ab. Wie um seinen Knochenbau hervorzuheben, war sein athletischer Körper ebenfalls weiß bemalt, und er trug Schmuck aus weißen Federn um die Knöchel.
    »Nur die Ruhe«, murmelte Paul und blickte argwöhnisch auf den langen Speer, den der Schwarze herausfordernd in den Boden gerammt hatte. Er wandte sich an die Frau: »Wer ist das?«
    »Das mein Mann«, erklärte sie mit stolz glänzenden Augen. »Hat mich gebracht. Wegen sicher.«
    Paul furchte die Stirn. Keiner der Schwarzen auf seinem Besitz gebärdete sich feindselig, und in einem Aufzug wie dieser Bursche marschierten sie schon gar nicht herum. Diese Zeiten waren längst vorbei.
    »Geh!«, befahl er. »Ich kann euch hier nicht brauchen. Ihr gehört nicht zu unseren Leuten. Geh zu deinem eigenen Volk zurück und nimm ihn mit.« Er nickte mit dem Kopf in Richtung des Ehemanns.
    Die Frau malte mit dem Zeh einen Bogen in den Staub und musterte ihn einige Minuten, als überlege sie, was sie als Nächstes tun solle.
    Sam streichelte sein Gewehr. »Boss, wollen Sie, dass ich dem großen Burschen Beine mache?«
    Die Frau sah zu Paul. »Mein Mann nun gehen. Mich langen Weg bringen.«
    »Gut. Und du begleitest ihn. Hier kannst du nicht bleiben.«
    Sie schien ihn nicht gehört zu haben. Sie hievte das Kind ein Stückchen höher und schickte sich an, den Weg zum Gut hochzulaufen.
    Paul starrte unsicher zu dem Ehemann, der sie beobachtete, und dann wieder zu der Frau.
    »Moment!«, rief er. »Komm zurück! Ich hab’s dir doch gesagt. Du gehörst hier nicht her. Von welchem Volk stammst du?«
    »Kalkadoon!«, erwiderte sie hocherhobenen Hauptes.
    »Nie gehört.«
    »Doch, haben Sie«, erinnerte ihn Noah. »Das ist der Stamm, von dem Paul gesprochen hat. Sie kommen aus dem Hinterland. Und sorgen für jede Menge Ärger. Glauben Sie, die kommen jetzt hier entlang?«
    »Bitte? Eine zweiköpfige Armee? Nun mal halblang!« Paul rief der Frau hinterher: »Du kommst jetzt zurück! Du und dein Mann, ihr verschwindet! Hörst du?«
    Sie wandte sich um und blickte ihn an. Über ihre schmutzigen Wangen liefen Tränen. »Er fort, Boss.«
    Ihre Traurigkeit verwirrte Paul. Plötzlich bäumte sich

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