Im Westen Nichts Neues
Der Himmel ist blau und ohne Wolken. Abends wird es schwül, und die Hitze steigt aus der Erde. Wenn der Wind zu uns herüberweht, bringt er den Blutdunst mit, der schwer und widerwärtig süßlich ist, diesen Totenbrodem der Trichter, der aus Chloroform und Verwesung gemischt scheint und uns Übelkeiten und Erbrechen verursacht.
*
Die Nächte werden ruhig, und die Jagd auf die kupfernen Führungsringe der Granaten und die Seidenschirme der französischen Leuchtkugeln geht los. Weshalb die Führungsringe so begehrt sind, weiß eigentlich keiner recht. Die Sammler behaupten einfach, sie seien wertvoll. Es gibt Leute, die so viel davon mitschleppen, daß sie krumm und schief darunter gehen, wenn wir abrücken.
Haie gibt wenigstens einen Grund an; er will sie seiner Braut als Strumpfbänderersatz schicken. Darüber bricht bei den Friesen natürlich unbändige Heiterkeit aus; sie schlagen sich auf die Knie, das ist ein Witz, Donnerwetter, der Haie, der hat es hinter den Ohren. Besonders Tjaden kann sich gar nicht fassen; er hat den größten der Ringe in der Hand und steckt alle Augenblicke sein Bein hindurch, um zu zeigen, wieviel da noch frei ist. »Haie, Mensch, die muß ja Beine haben, Beine« – seine Gedanken klettern etwas höher –, »und einen Hintern muß die dann ja haben, wie – wie ein Elefant.«
Er kann sich nicht genug tun. »Mit der möchte ich mal Schinkenkloppen spielen, meine Fresse…«
Haie strahlt, weil seine Braut soviel Anerkennung findet, und äußert selbstzufrieden und knapp: »Stramm isse!«
Die Seidenschirme sind praktischer zu verwerten. Drei oder vier ergeben eine Bluse, je nach der Brustweite. Kropp und ich brauchen sie als Taschentücher. Die andern schicken sie nach Hause. Wenn die Frauen sehen könnten, mit wieviel Gefahr diese dünnen Lappen oft geholt werden, würden sie einen schönen Schreck kriegen. Kat überrascht Tjaden, wie er von einem Blindgänger in aller Seelenruhe die Ringe abzuklopfen versucht. Bei jedem andern wäre das Ding explodiert, Tjaden hat wie stets Glück.
Einen ganzen Vormittag spielen zwei Schmetterlinge vor unserm Graben. Es sind Zitronenfalter, ihre gelben Flügel haben rote Punkte. Was mag sie nur hierher verschlagen haben; weit und breit ist keine Pflanze und keine Blume. Sie ruhen sich auf den Zähnen eines Schädels aus. Ebenso sorglos wie sie sind die Vögel, die sich längst an den Krieg gewöhnt haben. Jeden Morgen steigen Lerchen zwischen der Front auf. Vor einem Jahr konnten wir sogar brütende beobachten, die ihre Jungen auch hochbekamen.
Vor den Ratten haben wir Ruhe im Graben. Sie sind vorn – wir wissen, wozu. Sie werden fett; wo wir eine sehen, knallen wir sie weg. Nachts hören wir wieder das Rollen von drüben. Tagsüber haben wir nur das normale Feuer, so daß wir die Gräben ausbessern können. Unterhaltung ist ebenfalls da, die Flieger sorgen dafür. Täglich finden zahlreiche Kämpfe ihr Publikum.
Die Kampfflieger lassen wir uns gefallen, aber die Beobachtungsflugzeuge hassen wir wie die Pest; denn sie holen uns das Artilleriefeuer herüber. Ein paar Minuten nachdem sie erscheinen, funkt es von Schrapnells und Granaten. Dadurch verlieren wir elf Leute an einem Tag, darunter fünf Sanitäter. Zwei werden so zerschmettert, daß Tjaden meint, man könne sie mit dem Löffel von der Grabenwand abkratzen und im Kochgeschirr beerdigen. Einem andern wird der Unterleib mit den Beinen abgerissen. Er lehnt tot auf der Brust im Graben, sein Gesicht ist zitronengelb, zwischen dem Vollbart glimmt noch die Zigarette. Sie glimmt, bis sie auf den Lippen verzischt. Wir legen die Toten vorläufig in einen großen Trichter. Es sind bis jetzt drei Lagen übereinander.
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Plötzlich beginnt das Feuer nochmals zu trommeln. Bald sitzen wir wieder in der gespannten Starre des untätigen Wartens.
Angriff, Gegenangriff, Stoß, Gegenstoß – das sind Worte, aber was umschließen sie! Wir verlieren viele Leute, am meisten Rekruten. Auf unserem Abschnitt wird wieder Ersatz eingeschoben. Es ist eines der neuen Regimenter, fast lauter junge Leute der letzten ausgehobenen Jahrgänge. Sie haben kaum eine Ausbildung, nur theoretisch haben sie etwas üben können, ehe sie ins Feld rückten. Was eine Handgranate ist, wissen sie zwar, aber von Deckung haben sie wenig Ahnung, vor allen Dingen haben sie keinen Blick dafür. Eine Bodenwelle muß schon einen halben Meter hoch sein, ehe sie von ihnen gesehen wird.
Obschon wir notwendig Verstärkung brauchen, haben
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