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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aber man brauchte nicht mehr dieses Übermaß von Verstellung zu produzieren, das im zivilen Leben unumgänglich war.
    William Rockwell hatte an diesem Morgen wieder einen Brief erhalten. Jenny schrieb oft. Die Kameraden beneideten ihn darum. Ein Zettel von Jim lag bei. »Ich wachse schnell, lieber Dad, und bald bin ich auch im richtigen Alter. Dann will ich auch kämpfen für die gerechte Sache der freien Völker. Aber natürlich wünsche ich auch, daß der Krieg bald zu Ende geht. Damit du wieder zurückkommst zu uns und Mr. Dobbs sagst, daß er mir gar nichts zu sagen hat. Dein Sohn Jim.«
    Der letzte Satz gab William zu denken. Wieso hatte Mr. Dobbs Jim überhaupt etwas zu sagen? Gut, Jenny half in dem Kaufmannsladen von Dobbs aus. Sie schrieb, das Geschäft habe einen starken Aufschwung genommen. Mr. Dobbs hatte eine Drogerieabteilung dazugenommen. Und in der Tat lag der Dobbssche Laden sehr günstig an der Straße, die stracks zum See führte. Ja, es war die Straße, in der zu Friedenszeiten die jungen Soldaten und die Schüler des Gymnasiums zu bummeln pflegten, wenn sie Ausgang oder wenig Schularbeiten zu machen hatten. Und natürlich kurvten dann auch die Mädchen rein zufällig dort entlang, eingehakt, schwatzend, mit niedergeschlagenen Augen und schnellen Augenaufschlägen im richtigen Augenblick.
    Sie werden auch jetzt noch bummeln, dachte William. Es ist doch friedlich dort. Ein paar Männer fehlen – oder fehlen nicht einmal. Sie denken, daß die Welt sich um sie dreht, weil sie leiden und dem Tod ins Auge sehen müssen. Aber in Wirklichkeit haben sie vielleicht kaum eine Lücke hinterlassen.
    Sein Herz krampfte sich zusammen. Wieso hatte Mr. Dobbs seinem Sohn ›etwas zu sagen‹? Und schrieb Jenny nicht auffallend viel über ihre Arbeitsstätte und den wundervollen Mr. Dobbs?
    »Unsere Lucille kann schon ein Kinderlied singen, du weißt doch, das von Bob, und wohin er immer geht«, schrieb sie. »Mr. Dobbs mußte sehr lachen, weil sie den Text noch ziemlich durcheinanderbringt. Sie mögen sich sehr gern. Er ist ja ganz allein. Seine alte Mutter ist im vorigen Jahr gestorben, das weißt du wohl? Ich denke viel an dich und sehne mich nach dir. Es ist schwer, allein zu sein. Allein mit den Kindern. Sie könnten auch ihren Dad brauchen, besonders Jim, der schon beinahe ein kleiner Mann ist und sich nichts sagen lassen will. Komm bald! Ich küsse dich! Deine Jenny. Ich habe mein Haar kürzer schneiden lassen. Es trocknete so schwer nach dem Waschen. Viel zu lang. Nächstes Mal lege ich ein Bildchen bei. Du wirst es mögen. Küsse, Deine Jenny.«
    Ein kalter Hauch wehte William an. Sie hatte sich die Haare abschneiden lassen? Warum bloß? Diese wundervollen kastanienbraunen Haare, die glänzten und in weichen Wellen bis auf ihren Rücken hinabfielen, wenn sie abends die Nadeln herauszog. Dann hatte sie vor der kleinen Spiegelkommode gesessen und das Haar gebürstet. Sehr gewissenhaft. Richtig ärgerlich war sie geworden, wenn er sie auf die Schulter küßte und in der leichten, warmen Pracht wühlte.
    Dobbs. Verdammt. Ein rötlichblonder, fader Geselle, soweit William sich erinnern konnte. Weißer Kittel, wie ein Apotheker. Gespreiztes Gehabe. Ich drehe ihm den Hals um, wenn er sich an meine Jenny heranmacht, beschloß William zähneknirschend. Doch erst einmal konnte er gar nichts tun. Nur hoffen.
    Leider wurde man hier an der Front, in der Fremde, auch zu leicht argwöhnisch, reimte sich etwas zurecht, das gar nicht stimmte. Anderen war es auch so ergangen. Schließlich würde seine Jenny, wenn sie wirklich etwas mit diesem Dobbs anfangen wollte, die ganze Geschichte doch geheimhalten. Ja, das würde sie! Allerdings war da Jim. Ein großer Junge, der helle war und vielleicht ein bißchen aufpaßte.
    William begab sich zu dem Bären, der an einem Kantholzpfeiler festgebunden war und ziemlich mißmutig wirkte. »Na, alter Junge? Guck nicht so ärgerlich aus dem Pelz«, sagte er zu seinem Schützling und neuen Freund. »Du stehst hier nichts aus. Und Sorgen mit der Liebe hast du auch nicht. Noch nicht. Also, mach gefälligst ein freundliches Gesicht.«
    Der Bär tat so, als hätte er auf seinem runden Bauch etwas höchst Interessantes entdeckt. Er war satt und müde und wollte nicht gestört werden.
    »Meinst du, daß sie mich betrügt, Teddy?« fragte William und kraulte den Kleinen am Hals.
    Der Bär sah betont in die andere Richtung.
    William mußte wider Willen lachen. »Du hast wohl auch miese Laune«,

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