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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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heiligen Stoffe webte und mich den Wissenschaften der Pflanzen, Gestirne und Metalle widmete; auch die Geschäfte des Königreiches erledigte ich. Die Leute suchten mich auf bei Streitigkeiten über Grundbesitz oder Tribute. Wenn ich auch Gesetze anordnete, an den Ratsversammlungen teilnahm und Gesandtschaften empfing, so überließ ich doch den größten Teil der Staatsführung dem König. Das entsprach nicht unserer Tradition, und viele Leute murrten deswegen bei Hof: Sie stellten Vergleiche an zwischen mir und meiner Mutter, die stets als Erste über alles unterrichtet war. Es hieß, ich sei ihrer nicht würdig, denn ich hätte einem Fremden die Macht zugespielt.
    Die Tungusen hatten unsere Stadt vor der Belagerung und der Vernichtung gerettet, doch ihre Gewohnheiten blieben uns fremd. Raufereien waren keine Seltenheit am Hafen oder auf dem Markt; es liegt nun mal in der Natur der Menschen, sich durch Unterschiede in Glauben und Sitten zu Feindseligkeiten hinreißen zu lassen. Trotzdem wusste ich, dass diese Differenzen geringfügig waren und dass wir im Laufe der Zeit zu einem einzigen Volk verschmelzen würden. So hatte es die Hüterin des Heiligtums geweissagt, so hatten es unsere Ahnen bestimmt, und so wollte es meine Mutter …
    Die Jahre vergingen. Kinder hatte ich nicht geboren. Ich wusste, dass Iri sich immer häufiger mit Hofdamen vergnügte, aber es war zu unbedeutend, als dass ich Notiz davon nahm; auch ließ ich es zu, dass er seinen Brüdern und Verwandten Machtpositionen einräumte. Sein Ehrgeiz verhalf uns zu Sicherheit und Reichtum. Er vermied Sippenkriege, unterwarf die Häuptlinge verschiedener Stämme und zwang sie, dem Königshaus zu huldigen. Er unterhielt eine große Anzahl Sklaven, die in den Minen von Kuna nach Eisen, Kupfer, Gold und Edelsteinen gruben. Er ließ die Hafenanlagen ausbauen, die Dämme verstärken und Festungen entlang der Küste von Yamatai errichten. Unsere Schiffe mit den roten Segeln und den goldbemalten Flanken beherrschten das Meer und hielten die Piraten fern. Der Handel mit Übersee hatte sich derart ausgedehnt, dass kaum ein Tag verging, an dem nicht eine mit Waren beladene Galeere in See stach, eine fremde vor Anker ging.
    Doch Iri wollte mehr: Der Eroberungsdrang lag ihm im Blut. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, die Handelswege in alle vier Himmelsrichtungen unter seine Kontrolle zu bringen. Der größte Teil des östlichen Archipels war noch unerforscht. Iri hatte bereits Stoßtrupps ausgesandt, die an strategischen Punkten Festungen errichten sollten. Sie waren bei ihrem Vormarsch in die Gebiete der Ainu eingedrungen, den Ureinwohnern des Landes. Die Ainu hatten die Fremden gastfreundlich empfangen, sie mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln versorgt. Doch als sie den Eroberungswillen der Eindringlinge bemerkten, setzten sich die Stämme zur Wehr. Bald überstürzten sich die Berichte von Überfällen und grausamen Gemetzeln, denen unsere Krieger zum Opfer fielen.
    Daraufhin entschloss Iri sich zu Vergeltungsmaßnahmen und schickte eine gut ausgerüstete Reiterphalanx an das jenseitige Ufer des Yodo-Flusses. Die Streitmacht wurde in einen Hinterhalt gelockt: Es gab keine Überlebenden. Im darauffolgenden Frühling ereignete sich an den Hängen des Berges Ikoma ein Erdrutsch. In den Schutt- und Schlammmassen fand man vereinzelte Menschenknochen, vermoderte Lederteile und die Überreste eines Harnischs. Iri musste einsehen, dass er es nicht mit einem gewöhnlichen Gegner zu tun hatte, sondern mit einem Volk, das bereit war, seine Freiheit teuer zu erkaufen. Dies bestärkte ihn in seinem Entschluss, die Ainu zur Übergabe zu zwingen, um so einen freien Zugang zur Ostküste zu haben. Es dauerte jedoch zwei volle Jahre, bis ein Geschwader von hundert Schiffen bereit war, um das Heer von mehr als fünftausend Mann über die Meeresenge nach Kawachi, unserer östlichsten Provinz, zu befördern.
    Ich hatte vergeblich versucht, Iri von diesem Vorhaben abzubringen. Meine Gedanken flogen zurück zu jenem Abend in Amôda, als wir in der Dämmerung vor den Schiebetüren unseres Gemaches saßen. Ich erinnerte mich an den Duft der Sommerblumen, an den lauen Wind und an das goldene Sonnenlicht, das über den geschweiften Giebeln der Strohdächer lag. Iri saß damals vor mir in einem bauschigen gelben Seidengewand. Ein Stirnband war um sein geflochtenes

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