Imagica
Pfund, die Hälfte sofort, der Rest nach Durchführung des Auftrags.
»Chant hat das Geld«, murmelte Estabrook.
»Gehen wir zu ihm«, schlug Pie vor.
Bevor sie den Wohnwagen verließen, sah Charlie in die Wiege. »Sie haben prächtige Kinder«, sagte er draußen.
»Es sind nicht meine«, erwiderte der Killer. »Ihr Vater starb vor etwa einem Jahr.«
»Tragisch«, kommentierte Estabrook.
»Er hat nicht gelitten«, fügte Pie hinzu, sah seinen Klienten an und bestätigte mit diesem Blick, daß die beiden Kinder durch ihn zu Waisen geworden waren. »Sind Sie ganz sicher, daß Sie den Tod jener Frau wollen? In unserem Geschäft ist Zweifel unangebracht. Wenn Ihnen irgendein Rest von Zweifel bleibt...«
»Nein«, betonte Estabrook. »Ich bin hierhergekommen, um jemanden zu finden, der meine Frau umbringt. Sie sind der Mann, den ich gesucht habe.«
»Sie lieben Judith noch immer, oder?« fragte Pie, als sie über den Platz schritten.
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»Natürlich liebe ich sie. Deshalb liegt mir soviel daran, sie ins Jenseits zu schicken.«
»Es gibt keine Auferstehung, Mr. Estabrook. Zumindest nicht für Sie.«
»Ich bleibe am Leben.«
»Glauben Sie?« Es klang skeptisch. Sie erreichten das Feuer, an dem nun niemand mehr saß. »Wenn ein Mann zerstört, was er liebt, so stirbt dabei auch ein Teil von ihm. Verstehen Sie?«
»Irgendwann müssen wir alle ins Gras beißen«, lautete Estabrooks Antwort. »Mein eigener Tod ist mir gleich -
vorausgesetzt, es erwischt Judith vor mir. Ich möchte, daß es so schnell wie möglich geschieht.«
»Sie erwähnten, daß Ihre Frau in New York ist. Soll ich ihr dorthin folgen?«
»Kennen Sie die Stadt?«
»Ja.«
»Dann erledigen Sie es dort. Und zwar bald. Ich sorge dafür, daß Ihnen Chant noch mehr Geld gibt, für die Spesen. Das war's. Wir sehen uns nie wieder.«
Der Vermittler wartete am Wellblechzaun und holte einen Umschlag mit der ersten Hälfte des Honorars hervor. Pie nahm ihn wortlos entgegen, schüttelte Estabrooks Hand und sah den beiden Männern nach. Als Charlie im bequemen Fond des Wagens saß, blickte er auf die Hand hinab, die er dem Killer gereicht hatte - sie zitterte. Krampfhaft fest schloß er die Finger der anderen darum, und während der Heimfahrt gab er keinen Ton von sich.
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KAPITEL 2
Den Frauen dieser Welt zuliebe - schneid dir die verlogene Kehle durch, las John Furie Zacharias auf dem Zettel.
Neben dieser Botschaft hatten Vanessa und ihre Helfer - vermutlich war sie mit ihren beiden Brüdern gekommen, um das Haus leerzuräumen - einige Glasscherben hinterlassen, falls er ihren Rat beherzigen und vielleicht damit sein Leben auf der Stelle beenden wollte. Verdutzt starrte er auf die wenigen Worte, las sie mehrmals und suchte vergeblich nach einem Trost darin. Unter dem hastig gekritzelten Namen war das Papier zerknittert. Hatte Vanessa geweint? Nein, wohl kaum.
Sie neigte nicht dazu, Tränen zu vergießen. Der Umstand, daß er nun in einem völlig leeren Zimmer hockte, deutete darauf hin, daß sich Vanessa nicht mit Kummer oder dergleichen aufhielt. Nun, Zacharias konnte weder Anspruch auf das ehemalige Kutscherhäuschen noch die Einrichtung erheben, aber viele Gegenstände hatten sie zusammen ausgewählt - sie verließ sich dabei auf sein Künstlerauge, er auf ihr Geld. Jetzt war alles weg, bis auf den letzten Perserteppich und die letzte Deko-Lampe. Ein gemeinsames Heim für vierzehn Monate, und nur Leere blieb übrig. Kahl und nackt präsentierte es sich ihm, und die gleiche Beschreibung paßte auf den Mann mit dem Zettel in der Hand. Er fühlte sich kahl und nackt, bis auf die Knochen entblößt. Jetzt besaß er überhaupt nichts mehr.
Von einer Katastrophe konnte keine Rede sein. Vor Vanessa hatte es andere Frauen gegeben, die es ihm ermöglichten, maßgeschneiderte Hemden und Westen zu tragen, und bestimmt folgten ihr weitere. Doch in der jüngsten Vergangenheit - normalerweise beschränkten sich Gentles Erinnerungen auf die letzten zehn Jahre - geschah es nun zum erstenmal, daß man ihm seine ganzen Besitztümer innerhalb eines halben Tages nahm. Er brauchte nicht lange zu überlegen, um seinen Fehler zu erkennen. An diesem Morgen 20
war er mit einem Ständer erwacht, den Vanessa zwischen ihren Schenkeln spüren wollte, und dummerweise hatte er abgelehnt
- um sich vor dem mit Martine vereinbarten Treffen am Nachmittag nicht zu erschöpfen. Es spielte jetzt keine Rolle mehr, auf welche Weise Vanessa erfahren hatte, wen er mit seinem
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