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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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einsehen. Dieser Gedanke entlockte Estabrook ein Lächeln, das von seinen Lippen verschwand, als er erneut aus dem beschlagenen Fenster blickte und den Ort sah, der offenbar Chants Ziel darstellte.
    Weiter vorn versperrte eine Wellblechbarriere mit Graffiti-Schmierereien den Weg. Dahinter, sichtbar durch einige Lücken, erstreckte sich ein Schrottplatz mit Dutzenden von Wohnwagen. Der Chauffeur nahm den Fuß vom Gas und trat behutsam auf die Bremse.
    »Sind Sie verrückt geworden?« Estabrook beugte sich vor und griff nach Chants Schulter. »Hier sind wir nicht sicher.«
    »Ich habe Ihnen den besten Killer Englands versprochen.
    Glauben Sie mir: Er wartet dort drüben auf uns.«
    Charlie brummte verärgert. Er hatte ein heimliches Treffen erwartet - verschlossene Türen, vor den Fenstern heruntergelassene Rolläden -, kein Zigeunerlager. Hier trieben sich zu viele Leute herum; hier drohte Gefahr. Was für eine Ironie des Schicksals, bei der Begegnung mit einem Mörder ermordet zu werden... Er lehnte sich im Fond zurück, und Leder knarrte leise.
    »Ich bin enttäuscht.«
    »Der Mann ist wahrhaft außergewöhnlich«, sagte Chant.
    »Niemand in Europa kann sich mit ihm messen. Ich habe schon mehrmals mit ihm zusammengearbeitet...«
    »Wie heißen die Opfer?«
    Chant drehte den Kopf, und seine Stimme klang vorwurfsvoll, als er entgegnete: »Ich habe Sie nicht nach Einzelheiten gefragt, Mr. Estabrook. Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen.«
    Charlie brummte erneut.
    11

    »Möchten Sie nach Chelsea zurückkehren?« fuhr Chant fort.
    »Ich kann Ihnen jemand anders besorgen. Er wäre nicht ganz so gut, aber Sie hätten die Möglichkeit, in einer angenehmeren Umgebung mit ihm zu sprechen.«
    Der Sarkasmus entging Charlie nicht. Und er stellte sich der Erkenntnis, daß er etwas begonnen hatte, bei dem er kaum tu-gendhaft bleiben konnte. »Nein«, sagte er. »Da wir schon einmal hier sind... Ich rede mit ihm. Wie heißt er?«
    »Ich kenne ihn als Pie.«
    »Pie? Und weiter?«
    »Einfach nur Pie.«
    Chant stieg aus und öffnete die Tür zum Fond. Frostige Luft wehte herein und trug einige Schneeflocken mit sich - in diesem Jahr hatte es der Winter sehr eilig, den Herbst abzulösen. Estabrook schlug den Kragen des Mantels hoch, schob die Hände tief in die Taschen und folgte dem Vermittler durch ein nahes Loch im Wellblechzaun. Er roch ranziges Öl und die erkaltende Glut eines Lagerfeuers zwischen den Wohnwagen.
    »Bleiben Sie dicht bei mir«, rief Chant. »Gehen Sie schnell und zeigen Sie nicht zuviel Interesse. Diese Leute legen großen Wert auf ihre Privatsphäre.«
    »Warum befindet sich Ihr Mann ausgerechnet hier?« fragte Estabrook. »Mußte er untertauchen?«
    »Sie wollten jemanden, der nicht aufgespürt werden kann.
    Einen Unsichtbaren - so lauteten Ihre Worte. Pie erfüllt diese Bedingungen. Es gibt keine Akten, die seinen Namen enthalten, weder bei der Polizei noch beim Sozialamt. Es fehlt sogar eine Geburtsurkunde.«
    »Das halte ich für unwahrscheinlich.«
    »Ich bin aufs Unwahrscheinliche spezialisiert«, sagte Chant.
    Bisher hatten die plötzlichen Veränderungen in den Augen des Vermittlers nie Unsicherheit in Estabrook geweckt, doch diesmal wich er dem durchdringenden Blick aus. Chants 12

    Behauptungen konnten unmöglich der Wahrheit entsprechen.
    Wer erreichte heutzutage das Erwachsenenalter, ohne daß es irgendwo eine Akte über ihn gab? Andererseits: Charlie fühlte sich von der Vorstellung fasziniert, einem Mann zu begegnen, der wenigstens glaubte, für die Behörden überhaupt nicht zu existieren. Er nickte Chant zu, und gemeinsam schritten sie über den halbdunklen, schmutzigen Platz.
    Überall lag Gerumpel. Estabrook sah die Reste verrosteter Autos und Küchenabfälle, die trotz der Kälte stanken.
    Aschehaufen erinnerten an zahllose Feuer.
    Schon nach kurzer Zeit erregten die beiden Neuankömmlinge Aufmerksamkeit. Eine Promenadenmischung mit verdrecktem Fell bellte am Ende einer langen Leine; die Gardinen an den Fenstern einiger Wohnwagen wurden von schemenhaften Beobachtern beiseite geschoben. Zwei junge Frauen - ihr langes Haar war so blond, als seien sie mit Gold übergossen worden, und ihre Schönheit erstaunte an einem solchen Ort - erhoben sich neben einer Feuerstelle, und eine von ihnen eilte fort, als beabsichtige sie, Wächter zu alarmieren. Die andere blieb stehen, und in ihrem glatten Gesicht manifestierte sich ein Lächeln, in dem Estabrook eine Mischung aus Verzückung und

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