Immer wieder samstags
anderes eingeredet hätte. Ich blieb realistisch.
Dennoch konnte ich nicht das Arschloch in ihm sehen, welches er so gern markierte. Warum? Vielleicht lag es an diesem besonderen Lächeln, das sein Gesicht noch perfekter – aber auch irgendwie weicher – aussehen ließ. Ich hatte es zum ersten Mal zu Gesicht bekommen, als er damals vor meinem Bild stand und würde es nie wieder vergessen.
Das konnte ich auch gar nicht. Womöglich war es aber auch die sanfte Art, wie er mich aufgefangen hatte, als ich durch ihn meinen ersten Orgasmus erlebte, oder meine Einstellung, immer zuerst das Gute in den Menschen zu sehen, bevor ich sie verurteilte.
Vielleicht war es auch nichts von alledem, und ich einfach nur zu hoffnungslos unterbelichtet, um die Wahrheit zu erkennen. Keine Ahnung. Nur eines wusste ich. Nichts hatte sich geändert.
Nicht nach den ganzen Beleidigungen und erst recht nicht nach der Fotoaktion.
Mittlerweile war es kurz nach zehn Uhr, Samstagabend. Heute vor genau einer Woche hatte ich mein erstes Mal erlebt – mit Tristan Wrangler.
Obwohl es nicht einmal im Entferntesten meinen Vorstellungen und Träumen entsprach, musste ich unweigerlich schmunzeln, wenn ich daran zurück dachte. Einfach nur, weil er mich angelächelt und geküsst hatte, wir uns danach so unglaublich nah gewesen waren und ich in seinen Armen schlafen durfte.
Aller Illusionen zum Trotz war mir klar, dass dies nie wieder geschehen würde. Nie wieder würde ich ihm so nahekommen.
Jedoch hinderte mich dieses Wissen nicht daran, mir diverse Dinge vorzustellen, die wir tun könnten, wäre er nur hier in meinem Zimmer. Immer wenn ich nicht einschlafen konnte oder der Tag besonders schlimm gewesen war, nutzte ich meine Phantasie, um wenigstens darin glücklich zu sein.
Wäre er hier, würde ich ihm wohl die unzähligen Zeichnungen zeigen, die ich von ihm gefertigt hatte, ihm schokoüberzogene Haferkekse anbieten und meine Lieblings-CD abspielen. Manchmal sogar erträumte ich mir seine Lippen auf meinen. Er küsste mich dann genauso, wie er es letzten Samstag getan hatte. Aber Träume sind Schäume.
Seufzend schloss ich die Vorhänge und legte mich ins Bett. Meine Schlafklamotten, bestehend aus knappen Hotpants und einem grauen, ausgeleierten Discounter-Shirt, trug ich bereits, während Stanley schon in Schmuseposition ungeduldig hechelnd auf mich wartete.
Lächelnd streichelte ich ihm über den knochigen Kopf, legte mich unter meine Decke und zog seinen kleinen drahtigen Körper an mich.
Tristan spukte weiterhin in meinem Kopf, eigentlich wie immer – jeden Abend, jeden Tag, jede Stunde und jede Minute.
Was er wohl gerade tat? Ob er wohl auch an mich …
Da klopfte es an der Scheibe! Das Geräusch ließ mich hochschnellen, nur um die Ohren zu spitzen und darauf zu warten, es erneut zu hören. Was gar nicht möglich war, denn Stanley bellte wie ein Verrückter. Mist, wenn er meine Eltern aufweckte, wäre hier die Hölle los, also hielt ich ihm mit drei Fingern die winzige Schnauze zu.
»Ruhe!«, befahl ich ihm flüsternd und stand unsicher auf.
Ich wohnte im zweiten Stock. Wie konnte da jemand an mein Fenster klopfen? Trotzdem geschah es erneut und wurde begleitet von einer Ladung interessanter, aber derber Flüche, die eigentlich nur von einer Person stammen konnten.
Mit einem Ruck riss ich die Vorhänge auf und starrte geradewegs in das angepisste, jedoch nicht minder wunderschöne Gesicht von meinem Traummann persönlich.
Sein Anblick versetzte mich in eine Schockstarre.
Tristan stand mit wehenden Haaren auf einer Leiter vor meinem Fenster in seiner sexy Lederjacke und meiner schwarzen Lieblingsjeans, die so vorteilhaft seinen perfekten Hintern betonte, und verdrehte die Augen, sobald ich ihn sah.
»Mach auf!«, formten seine sinnlichen Lippen. Sofort riss ich mein Fenster sperrangelweit auf. Er stemmte sich in mein Zimmer und landete etwas umständlich auf dem Boden, stand aber sofort wieder auf. Noch immer war ich nicht in der Lage, richtig auf ihn zu reagieren, auch nicht, als er sich zu seiner vollen, durchaus imposanten Größe vor mir aufgebaut hatte und auf mich herabsah.
Einzig der Mond und die Straßenlaternen erhellten sein engelsgleiches Gesicht und ließen es silbrig schimmern. Unauffällig zwickte ich mir in den Arm. Doch er war tatsächlich da. Ich träumte nicht …
»Verdammte Scheiße ist das kalt da draußen«, fluchte er erneut und drehte sich zum Fenster, um es zu schließen.
Ich schüttelte meinen Kopf
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