Immorality Engine
festzulegen. »Sie
wird eine Weile brauchen, um den Schlag zu verwinden, Charles. Ihre Schwester
war ihr lieb und teuer, und diese schrecklichen Ereignisseâ⦠sie wird etwas
Zeit brauchen.«
Bainbridge nickte. »Unbedingt,
unbedingt.« Er blickte auf die Taschenuhr. Es war beinahe sieben Uhr. »Gütiger
Himmel!«, rief er und stand so abrupt auf, dass er um ein Haar den Tisch
umgeworfen hätte. »Ich muss doch nach Whitehall.« Aufgeregt sah er sich nach
seinem Gehstock um. »Ich habe ganz die Zeit vergessen«, murmelte er halblaut.
Newbury lehnte sich lachend zurück.
»Ja, nur recht so, machen Sie sich nur über mich lustig, Newbury.
Sie sind ja nicht derjenige, der den Innenminister warten lässt.« Er versuchte,
es vorwurfsvoll klingen zu lassen, musste aber trotzdem lachen. Es war gut,
dass Newbury wieder spotten konnte.
»Wollen wir morgen Abend in Chelsea essen? Scarbright hat
versprochen, sein berühmtes Wild zuzubereiten.«
Bainbridge lächelte. »Wie könnte ich da widerstehen?« Dann blickte er Newbury doch noch vorwurfsvoll an. »Aber
Sie werden ihn keinesfalls behalten. Das war
eine vorübergehende MaÃnahme, mehr nicht.«
Newbury lachte. »Wenn Sie meinen, Charles. Wenn Sie meinen.« Er
stand auf und gab Bainbridge die Hand. »Nun gehen Sie schon, und finden Sie
heraus, was der Innenminister will. Ich bin furchtbar neugierig.«
Bainbridge stieà ein »Pah!« aus, das von Herzen kam, und eilte mit
wehenden RockschöÃen zum Ausgang. Den Mantel hatte er sich über den Arm gelegt.
Zum ersten Mal seit Monaten hatte er das Gefühl, dass Newbury auch ohne ihn
wunderbar zurechtkam.
29
Unablässig prasselte der
Regen auf das Dach der Droschke. Das beständige, nervtötende Knattern störte Veronicas Gedanken ebenso wie das Quietschen und Knarren des Fahrzeugs selbst. Es regnete schon seit Tagen, und der
unablässige Guss färbte alles trüb und
grau. Vielleicht, so dachte sie, war
das eher ein Spiegelbild ihrer Stimmung als die Folge des Wetters.
Veronica starrte zum Fenster hinaus, als sie holpernd und ruckelnd
über die schmale StraÃe fuhren. Eigentlich war es kaum mehr als ein
ausgefahrener Feldweg, der nach jahrelangem Gebrauch tiefe Schlaglöcher hatte.
Der Regen hatte sich wie ein Schleier über die ganze Welt gelegt. Hin und
wieder erhaschte sie einen Blick auf das Dorf mit seinen gedrungenen, am Hang
gebauten Häuschen, dem Dorfanger und der Gastwirtschaft. Veronica war ein paar
Meilen südlich von London in einem kleinen Dorf namens Malbury Cross unterwegs,
das sie drei oder vier Monate vorher schon einmal
besucht hatte. Damals hatte sie wegen einer mechanischen Vogelscheuche
ermittelt, die sich darauf verlegt hatte, die Einwohner durch die sonst so
stillen StraÃen zu jagen.
Als sie vor der Frage gestanden hatte, wo sich ein gutes Versteck
für Amelia fände, war ihr dieser Ort so gut wie jeder andere vorgekommen. Er
war abgelegen und, wenn man von den mechanischen Vogelscheuchen absah, sehr
ruhig und verschlafen. Genau der Ort, wo sich jemand fern von neugierigen Augen
erholen konnte.
Als in der Nähe ein Vogel laut krächzte, blickte Veronica aus dem
Fenster, konnte aber auÃer den Regentropfen,
die an der Scheibe hinabliefen, nichts erkennen. Die Droschke pflügte
durch den schweren, nassen Boden, und Veronica seufzte ergeben und lieà sich
matt auf dem Sitz hin und her wiegen.
Sie hatte eine zermürbende Woche hinter sich, deren Höhepunkt die
Beerdigung der falschen Amelia gewesen war. Erst nach und nach wurden ihr die
Konsequenzen der jüngsten Ereignisse völlig bewusst. Fabian war tot, die
Bastion Society war zerschlagen, und die Queenâ⦠nun ja, Victorias Regentschaft
neigte sich wohl dem Ende zu.
Am wichtigsten aber war die Tatsache, dass sie immer noch Amelia
hatte. Nun musste Veronica allerdings allein für die Pflege ihrer Schwester
aufkommen. Newbury würde ihr helfen â selbstverständlich würde er das
tun â, aber es wäre unfair gewesen, mehr als das von ihm zu erwarten. Er
hatte schon so viel gegeben und sie mit ganzer Kraft unterstützt. Der Rest lag
nun bei ihr.
Die Droschke hielt abrupt vor einem kleinen, mit Stroh gedeckten
Cottage an. Es war ein hübsches, malerisches kleines Gebäude, das etwas abseits
am Rand des Dorfes mitten in einem groÃen, schön bepflanzten Garten lag.
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