Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Immorality Engine

Immorality Engine

Titel: Immorality Engine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
Vom Netzwerk:
vorne
ausgelöst hatten, störten ihn nicht im Mindesten. Abwesend fragte Veronica
sich, ob auch er unter dem Einfluss der einschläfernden Droge stand.
    Methodisch nahmen sie sich die Diwane und Chaiselongues der Reihe
nach vor. Die Gäste bildeten einen umfassenden Querschnitt aller Kulturen und
Gesellschaftsschichten. Mehr als einmal glaubte Veronica, Newbury gefunden zu
haben, musste beim näheren Hinsehen aber erkennen, dass es doch nur irgendein
anderer gefallener Gentleman war, der sich in bester Kleidung hingelümmelt
hatte und für nichts auf der Welt Interesse zeigte. Es schmerzte sie, wie
Newbury sich mit diesen Tagedieben gemein machte. Er war doch anders und
benutzte die Droge aus anderen Gründen, denn er wollte seinen Geist öffnen und
sich Raum zum Nachdenken verschaffen. Das behauptete er jedenfalls immer
wieder, und das wollte sie ihm nur zu gern glauben. Bainbridge war hingegen
weniger nachsichtig, was Newburys Laster anging, und nahm an, dass sich der
Agent nur etwas vormachte. Doch diese kleine Selbsttäuschung erlaubte es
Veronica, ihre Arbeit mit Newbury unbeirrt fortzusetzen.
    Endlich fand sie ihn ganz hinten in dem großen Raum in einem Haufen
Kissen auf dem Boden ausgestreckt. Anscheinend war er ohnmächtig. Wie üblich
trug er einen dunklen Anzug, doch der Kragen war geöffnet, und der Binder hing
locker um den Hals. Neben der linken Hand lag eine ausgerauchte Pfeife, seine
Haut war leichenblass. Er wirkte abgemagert und verwahrlost, die Lippen waren
geschürzt und die Augen blutunterlaufen. Das rabenschwarze Haar war ungekämmt
und klebte schweißnass auf der Stirn. Die Atemstöße waren kurz und flach. Die
rechte Hand lag matt auf der Brust.
    Es verschlug Veronica die Sprache. Seine Hände waren kalt und
feucht. Sie konnte es nicht ertragen, ihn so zu sehen. Er wirkte krank und
schien … dem Tode nahe.
    Sie brauchte einen Moment, um sich zu fassen. Gerade als sie etwas
sagen wollte, leckte Newbury sich über die Lippen und sagte: »Gehen Sie weg,
Charles.« Er hatte die Augen nicht geöffnet, und die Worte kamen als heiseres
Krächzen heraus.
    Â»Woher wissen Sie …«, entgegnete Bainbridge verdattert.
    Langsam schlug Newbury die Augen auf. Die Pupillen waren auch in
diesem Zwielicht nicht größer als Stecknadelköpfe. »Der Gehstock, Charles.
Sobald Sie den Raum betreten hatten, wusste ich, dass Sie es sind.«
    Verblüfft betrachtete Bainbridge den Stock.
    Newbury wandte sich Veronica zu. »Und Miss Hobbes ist auch
gekommen.« Er schloss die Augen wieder. »Welcher Teufel hat Sie geritten, eine
Dame in so ein Lokal zu bringen?«
    Bainbridge errötete. »Also, ich …« Er stieß den Gehstock energisch
auf den gefliesten Boden. »Stehen Sie auf, Sie verdammter Nichtsnutz! Hören
Sie? Stehen Sie auf! Ich habe keine Zeit für Ihre närrischen Eskapaden.«
    Newbury lächelte, seine Finger zuckten, sonst rührte er sich nicht.
    Veronica kniete neben ihm nieder und legte ihm eine Hand auf die
feuchte, unrasierte Wange. »Maurice, wir brauchen Ihre Hilfe.«
    Newbury seufzte, drehte sich zu ihr herum und öffnete die Augen, in
denen nun ein Funke glomm, den sie zuvor vermisst hatte. »Das, Miss Hobbes, ist
natürlich etwas ganz anderes.« Er regte sich und drückte sich hoch, bis er saß,
und warf Bainbridge, der missbilligend zuschaute, einen besorgten Blick zu.
»Was ist denn so dringend, dass Sie mich hier aufsuchen müssen?«
    Bainbridge beugte sich vor, fasste Newbury unter dem Arm und half
ihm beim Aufstehen. »Sofern Ihr Gehirn nicht zu benebelt ist, um es zu
verstehen, Newbury, erkläre ich es Ihnen unterwegs.«

3
    Trotz Bainbridges
Ankündigung verlief die Kutschfahrt
vom Johnny Chang’s in betretenem Schweigen.
    Der Inspektor starrte zum Fenster hinaus. Die Stirn in tiefe Falten
gelegt, betrachtete er die draußen vorbeiziehende
Stadt, während die Dampfdroschke lärmend über das Pflaster holperte. Er vermied es, Newbury
anzublicken, der wie ein Häuflein Elend auf der anderen Seite saß. Die Augen
lagen tief in den Höhlen, das Kinn war auf die Brust gesunken. Die Haare waren
strähnig, und er wirkte ausgezehrt. Außerdem roch er nach altem Schweiß und
Tabakrauch.
    Veronica bemühte sich, ihn nicht anzustarren, und warf ihm lieber
verstohlene Blicke zu. Nur zu gern hätte sie seine Gedanken belauscht. Es

Weitere Kostenlose Bücher