Immortal 3 - Schwarze Glut
Haut in sich auf. Gleichzeitig merkte er, wie Leanna mit ihrem eigenen Spiel beschäftigt war – Kalens Unsterblichenessenz in sich aufzusaugen. Es war ihm egal. Sollte sie ruhig nehmen, was sie wollte, er gab es ihr freiwillig. Schließlich war das nur fair.
Die Funken fügten sich in ihm zu einem grünen zuckenden Licht zusammen, dessen Helligkeit zunahm, bis sie ihn vollständig ausfüllte. Er empfand eine geradezu rauschhafte Mischung aus Macht und Triumph, die sich in einem gleißenden Inspirationsblitz entlud. Im selben Moment sah er den Pfad zum Herzen des Universums überwältigend klar.
Es war eine Frau, die Frau aus seiner Fantasie – vielmehr eine Zeichnung von ihr, Kohle auf bräunlichem Untergrund. Jede Linie, jeder Schatten, jeder Strich und jede Farbverwischung wurden ihm enthüllt. Große Augen, zarte Wangenknochen, ein nur andeutungsweise spitzes Kinn. Schweres dunkles Haar fiel über nackte Schultern. Er war froh, dass seine Vision keine Farben enthielt, so dass die blaue Strähne fast nicht auffiel.
Sie war umwerfend, unglaublich, eine Göttin, eine Madonna, wie sie von den größten Meistern nicht besser eingefangen werden könnte. Rätselhaft wie Leonardos Mona Lisa, rein wie Michelangelos Madonna, verlockend wie Botticellis Venus. Und sie sollte von Kalen geschaffen werden. Endlich!
Leanna stieg von seinem erschlaffenden Glied. Sie hielt nichts vom Nachspiel, sondern zog sich eilig zurück, wenn sie erst hatte, was sie wollte. Kalen störte es nicht, nein, er nahm es kaum wahr. Die Vision der dunkelhaarigen Frau wurde bereits undeutlicher, und die weichen Kohlestiftlinien verschwammen. Wie immer war die Zeit entscheidend.
Er sprang von den Fellen auf und schritt zur Staffelei, die er ganz in der Nähe aufgestellt hatte. Seine Hand zitterte leicht, als er nach dem schmalen Kohlestift griff. Er registrierte nur entfernt, dass Leanna zu dem italienischen Schrank tapste, in dem er seinen Vorrat an Single-Malt-Whisky aufbewahrte. Die Tür mit den aufwendigen Intarsienarbeiten öffnete und schloss sich, gefolgt von einem leichten Glasklimpern, als Leanna einschenkte. Kalen versuchte, nicht auf die Geräusche zu achten und sich ganz auf das Papier vor ihm zu konzentrieren. Er zeichnete so schnell er konnte.
Die Traumfrau verblasste in seinem Kopf wie Zeichnungen im Sand, die von der einsetzenden Flut verwischt werden.
Er wollte das Bild unbedingt einfangen, ehe es ganz verschwand. Die lange, grazile Linie ihres Halses. Die kleine Vertiefung unterhalb ihrer Kehle. Den verführerischen Glanz in ihren Augen. Hektisch arbeitete er, während seine Erinnerung zusehends blasser wurde. Schließlich wurde seine Hand langsamer, bis ihm der Kohlestummel aus den Fingern glitt.
Sie war fort.
Kalen atmete erschöpft aus. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass Leanna, seine Muse, ihn beobachtete. Sein Blick fiel auf ihre nackte Hüfte, die lässig am Mahagonischrank lehnte, während sie ein Glas in der Hand hielt. Er würde wetten, dass darin sein bester Macallan war. Zwanzigtausend Pfund Sterling zahlte er für eine einzige Flasche, aber sie durfte ihn ruhig allein austrinken, solange er den Preis bekam, nach dem er sich verzehrte.
Mehrere Sekunden lang starrte er auf den Tizian, der über dem Schrank hing. Er war nicht gewillt, seinen Blick etwas weiter nach links schweifen zu lassen, wo er unweigerlich auf seiner eigenen, unfertigen Zeichnung landen würde. Hatte er Leannas Magie einfangen können? War es ihm gelungen, ein wahres Kunstwerk zu erschaffen? Hatte er endlich jenen Funken zurückerobert, der seiner Seele abhandengekommen war? Er hatte nichts als göttliche Eingebung gefühlt, als er die Linien auf Papier bannte. Aber, beim Hades, wie oft hatte er dasselbe schon vorher empfunden, nur um hinterher enttäuscht zu werden!
Leanna räusperte sich, sagte aber nichts. Nicht einmal sie würde wagen, diesen Moment zu stören, wusste sie doch besser als irgendjemand sonst, wie viel er ihm bedeutete.
Er stählte sich innerlich, ehe er sich seiner jüngsten Kreation zuwandte.
Die Enttäuschung verätzte ihn geradezu innerlich.
Oder, um die Ausdrucksweise dieses gottverdammten Jahrhunderts zu benutzen: Seine Zeichnung war total scheiße.
Kapitel 2
B enommen wanderte Christine durch die mittelalterlichen Gassen Roms, ihr Körper pochend vor unbefriedigtem Verlangen. Ihre Sinne waren überempfindlich, ihre Nerven gleichsam wund und entblößt. Sie fühlte die unebenen Pflastersteine unter ihren
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