Immortal Guardians: Düstere Zeichen (German Edition)
gut er konnte, spannte die Armmuskeln an, um den Pfahl nach oben zu pressen. Dabei klemmte er ihre Finger zwischen dem Metall und seiner blutig zugerichteten Hand ein.
Endlich löste sich der Pflock aus der Erde, sodass die Frau fast das Gleichgewicht verlor.
Ungläubig starrte sie darauf. Das Teil steckte noch immer in seiner Hand, es war gut und gern einen halben Meter lang, Erde und Wurzelwerk hingen daran.
Er deutete auf seine Beine. »Ich ziehe den zweiten raus; wenn Sie sich um meine Beine kümmern könnten?«
Sie nickte und suchte fieberhaft den Boden um den blonden Kerl herum ab.
»Es liegt hier neben meinem Becken.«
Sie ließ ihren Blick zu seiner Hüfte wandern, dann zu seiner Leistengegend und wieder zurück. Ihre bleichen Wangen verfärbten sich, dann nahm sie das Messer und machte sich eilig an seinen Füßen zu schaffen.
Wären seine Schmerzen nicht so groß gewesen, hätte Roland jetzt gelächelt. Insgeheim war er froh, noch etwas zu haben, das einer Frau die Röte ins Gesicht trieb. Als der blonde Junge ihm die Kleider aufgeschnitten und mit dem Messer über ihm gehangen hatte, war seine Befürchtung gewesen, kastriert zu werden.
Während die Frau sich an seinen Knöcheln zu schaffen machte, rollte er sich auf die Seite, seiner gepfählten Hand zu. Obwohl Knochen, Muskeln und Sehnen verletzt waren, verschränkte er die Finger beider Hände und gab sich dem quälenden Versuch hin, den zweiten Pflock loszubekommen.
»Ich habe darüber schon mal was im Fernsehen gesehen«, sagte die Frau hörbar angespannt. »Über Kinder, die eine ähnliche Erkrankung hatten wie Sie. Einmal in der Woche haben sie sich abends im Dunkeln auf dem Spielplatz getroffen, damit sie auch mal draußen mit anderen toben konnten.«
Nur mit Mühe konnte Roland ihrem Redefluss folgen, denn er war mehr auf den Pflock konzentriert. So schwach hatte er sich schon seit … seit seiner Verwandlung vor neunhundert Jahren nicht mehr gefühlt.
»Auf dem Weg dorthin trugen die Kinder Schutzanzüge und Helme, denn selbst die Scheinwerfer anderer Autos waren eine Gefahr für sie. Ist Ihre Haut auch so lichtempfindlich?«
»Ja«, sagte er knurrend, und endlich löste sich der Pfahl.
Keuchend lag er einen Moment da und versuchte, den Schmerz auszublenden.
Sie rutschte mit dem Messer ab und schnitt ihm ins Fleisch. »Tut mir leid«, sagte sie sofort.
Er schüttelte den Kopf. Es war nicht ihre Schuld, die Taue waren so fest geschnürt, dass selbst er Probleme damit gehabt hätte.
Der Druck um seine Knöchel ließ nach. Die Frau warf das Messer ins Gras und zerrte so lange an dem Pflock, bis Roland seine Füße herausziehen konnte.
Sobald er sich aufgesetzt hatte, brannten die Stichwunden an seinem Bauch wie Feuer. Er rang nach Luft. Alle paar Sekunden sah seine Retterin unruhig zum Himmel hinauf.
Roland umklammerte einen der Pflöcke und wollte ihn sich aus der Hand ziehen.
Doch sie packte sein Handgelenk. »Lieber nicht. Wenn Sie den jetzt herausziehen, kommen Dreck und Bakterien in die Wunde. Außerdem verhindert er vielleicht, dass es blutet. Überlassen Sie das lieber den Sanitätern.«
Auf einmal presste sie das Gesicht an seine Brust und schlang die Arme um ihn.
Vor lauter Überraschung brauchte Roland eine Weile, bis er begriff, dass sie ihm aufhelfen wollte.
Das war natürlich ein hoffnungsloses Unterfangen, denn er wog doppelt so viel wie sie. Dennoch berührte ihn die Geste.
Als er sich mühsam aufrichtete, spürte er, wie sich ein Schmerz durch seine Knöchel (wie auch seinen restlichen Körper) zog. Sobald er stand, schlüpfte sie an seine Seite und legte sich seinen Arm um ihre schmalen Schultern. Ihre Bugs-Bunny-Kappe reichte kaum bis zu seinem Kinn.
»Können Sie laufen?«
Er nickte müde und ließ sich von ihr zu den Bäumen führen.
Die schattige Kühle war eine willkommene Abwechslung zu dem Brennen, das er bereits auf der Haut verspürt hatte. Trotz aller Eile achtete seine kleine Retterin darauf, dass ihn keine Zweige trafen und er nicht mit den Pflöcken gegen irgendetwas stieß. Sie warnte ihn sogar vor spitzen Stöcken oder anderen Hindernissen auf dem Boden, auf die er mit seinen bloßen Füßen hätte treten können.
Als Roland die freie Wiese vor sich erblickte, fluchte er.
Die Frau biss sich auf die Unterlippe und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. »Ich wohne auf der anderen Seite. Sollen wir außen herum im Schatten der Bäume gehen oder den kurzen Weg über die Wiese
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