Immortals after Dark 01 - Unsterbliche Sehnsucht
stieg Zentimeter für Zentimeter mit quälender Langsamkeit tiefer. Er stand so tapfer und selbstsicher da, als ob er stolz wäre, sein Leben für ihres herzugeben.
Die morgendliche Brise wehte ihm die Haare aus dem Gesicht. Sein Blick ruhte auf ihr.
Das Sonnenlicht war nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt, hatte das Moos an den großen Eichen schon fast erreicht, deren Wurzeln langsam das Fundament der Mausoleen zerstörten. Jetzt verspürte sie eine Frustration wie noch nie zuvor im Leben. »Sei doch nicht dumm, Wroth!«
»Ich liebe dich, Myst«, sagte er mit leiser, ruhiger Stimme.
Sie verspürte das dringende Bedürfnis, ihm auf gleiche Weise zu antworten. Ja, er hatte ihr unrecht getan, und ja, er war ein Vampir, aber …
Das Licht traf ihn, doch selbst angesichts der blendenden Helligkeit, die sogar in ihren Augen wehgetan hätte, schloss er die Augen nicht.
Und sie wusste: Der Grund dafür war, dass er sie so lange wie nur möglich sehen wollte.
Schon bald war die Intensität der Sonne zu viel für ihn. Er fiel auf die Knie, seine Finger krümmten sich vor Schmerz. Noch einmal öffnete er die Augen. Glühend. Aufrichtig. Ein letzter Blick.
Er wird sterben.
Das tun sie immer.
Einfach … fort.
»Nein.« Sie sprach dieses Wort laut aus, wie um eine Lawine auf einem Berg auszulösen. Ein Unsterblicher wie er musste nicht sterben. Er konnte bei ihr bleiben. »Nein, nein, nein .«
» Milaya , kämpfe nicht«, brachte er mit Mühe heraus. »Es ist vorbei.«
Der Dämon, der sie festhielt, stank nach verfaulendem Fleisch. Die feige Bande von Vampiren grinste angesichts Wroth’ Todeskampf, wo er doch so viel größer war als sie. Wie konnten sie es wagen?
Sie hatte jahrtausendelang auf die Liebe gewartet – sie hatte auf ihn gewartet – , und sie wagten es, ihn ihr wegzunehmen. Ihr, Myst der Vielbegehrten. Sie stieß einen grellen und langen Schrei aus – das Kreischen, für das ihre Art bekannt war, das den Tod ankündigte. Der Dämon fluchte und versuchte, ihr das Genick zu brechen, aber ihre Muskeln waren so perfekt aufeinander abgestimmt und ausgerichtet, dass es ihm nicht gelang.
Wroth quälte sich in ihre Richtung, versuchte zu ihr zu gelangen, auch wenn er schon lichterloh brannte. Er kämpfte, um sie zu retten, während er starb.
Er war der Ihre.
Es gelang ihr, ihre Arme zu befreien, und sie streckte sie gen Himmel. Blitze zuckten herab, traten durch ihre ineinander verschränkten Hände ein und erfüllten ihren Körper. Dass sie es wagten …
Die beiden Gestalten, die sie festhielten, flogen durch die Luft, und ein ohrenbetäubendes Donnern zerriss sie von innen heraus. Ihre Hand schoss gerade rechtzeitig herab, um eines ihrer Schwerter aufzufangen, während sie im grellen Licht verpufften.
Sie hieb um sich, spaltete und zerfetzte die anderen Gegner mit der seltenen Gabe des direkten Blitzes. Einer nach dem anderen erlag ihrer Wut. Sie zuckte kaum, als ihr der Arm gebrochen wurde und ein Schwertgriff ihr das Jochbein zertrümmerte. Sieh durch das andere Auge, nimm das Schwert in die andere Hand. So schlug sie eine Schneise bis hin zu Ivo, der allein übrig blieb.
»Und ich dachte immer, du wärst einfach hübsch.« Mit einer spöttischen Verbeugung translozierte sich der Feigling.
Mit zerschmettertem Arm und zu Brei geschlagenem Gesicht stürzte sie zu Wroth. Vergebens versuchte sie, seinen Körper zuzudecken, ihn in den kühlen Schatten zu zerren, während sie gleichzeitig mit einem Biss ihr Handgelenk öffnete, damit er trinken konnte. Er hatte das Bewusstsein verloren, sein Körper drehte und wand sich vor Schmerzen, und seine Haut sah aus, als ob gleich unter ihr glühende Lava fließe.
»Sieht fast so aus, als ob wir die Party verpasst hätten«, sagte Regin, die zusammen mit Cara zu Myst hinüberschlenderte. »Warum darf Myst die ganzen Vampire alleine umbringen? Nein, also wirklich. Es sollten doch nur Ghule sein.«
»Myst, was machst du denn da? Wir hörten deinen Schrei und dachten, es geht um etwas Wichtiges «, sagte Cara. Sie wedelte verächtlich mit der Hand in Wroth’ Richtung, offensichtlich unfähig zu begreifen, wieso Myst mit der einen Hand verzweifelt versuchte, ihn über die Erde zu zerren und ihm das andere Handgelenk an den Mund drückte. »Das Ding stirbt. Lass ihn.«
»Oh, um Freyas willen, Myst. Er ist ein Vampir. Lass ihn doch schmoren.«
Myst kreischte und schnappte mit gefletschten Zähnen nach ihren Schwestern. Dann schrie sie zwei Wörter, die
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