Immortals after Dark 04 - Tanz des Verlangens
ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen.“
„Hast du Geld?“, fragte Mariketa, deren Stimme sogleich einen geschäftsmäßigen Tonfall angenommen hatte. „Bei mir gibt’s nichts gratis.“
„Ich habe eine ganze Schublade voll mit antikem Schmuck.“ Das Telefon piepte jetzt noch eindringlicher.
„Phhh. Heute ist mein Weiberabend für diese Woche, und ich zock gerade alle beim Poker ab und …“
„Dazu gehören mehr als fünfzig Diamanten! Einer allein hat schon vier Karat. Sie können sie alle haben.“
„Schon besser, Geist.“
Piiiiiep .
„Im Safe liegen außerdem noch Aktienzertifikate aus der Zeit, bevor ich … gestorben bin. Vor achtzig Jahren waren sie zwanzig-, dreißigtausend Dollar wert. Heute müssen sie ein Vermögen wert sein, denn die Firmen sind immer noch im Geschäft.“
„Welche Firmen?“
Diese Mariketa war aber auch wirklich knallhart, wenn es ums Geld ging.
„Äm, also, da wären General Electric und International Business Machines. Ich glaube, die heißen heute IBM …“
„Okay. Ich habe schon Zeichentrickdollarnoten in meinen hervorquellenden Zeichentrickglupschaugen. Ich bin gleich bei dir. Klopf doch mal auf den nächsten Spiegel, solange ich noch am Telefon bin.“
Brauchte Mariketa die Spiegel für ihre Zauberei? Néomi schlug das Herz bis in den Hals. „Aber sie sind alle kaputt.“
„Macht nichts. Mir reicht schon eine Scherbe.“
Pflichtgemäß klopfte Néomi auf einen Spiegel, und Mariketa sagte: „Und ich … hab es. Also gut, wenn jetzt gleich eine Hexe von herausragender Großartigkeit aus deinem Spiegel klettert, wirst du dich hoffentlich nicht gleich in Luft auflösen.“
Aus meinem Spiegel klettert? „Oh, ich versichere Ihnen …“ Jetzt gab das Handy nur noch einen einzigen langen, ununterbrochenen Ton von sich! „Bitte beeilen Sie sich, Miss Mariketa!“
„He, nenn mich einfach Mari.“ Sie seufzte in gespielt düsterem Ton. „Und ich werde dich … Geisterfreundin nennen.“
Néomi schaltete das Handy mit einem dümmlichen Grinsen auf dem Gesicht aus und warf es aufs Bett. Ein Schwindelgefühl hatte sie ergriffen. Und neue Hoffnung .
In Erwartung von Mariketas – Maris – Ankunft begann sie, aufgeregt hin und her zu laufen. Gesang, Musik und Karten – diese Frauen waren wie die Bonvivants, die sie so bewundert hatte. Und eine von ihnen würde ihr gleich einen Besuch abstatten! Mit einem Mal erschien ihr das Leben neu und anders und verheißungsvoll.
So einfach konnte es gar nicht sein. Aber … was, wenn doch? Was, wenn doch …
25
Conrad hockte in einem Baum auf einem Hügel, von dem aus er einen Überblick über die Versammlung hatte. Er suchte die Menge nach Tarut ab, aber bis jetzt hatte er ihn noch nicht ausfindig machen können. Dabei würde der Dämon selbst in dieser Masse leicht zu entdecken sein. Er war annähernd zwei Meter fünfzig groß.
Obwohl er mit seiner Anwesenheit ein großes Risiko einging, war Conrad vorbereitet. Seine Hand hatte sich fast vollständig regeneriert. Die Wirkung der ihm verabreichten Drogen war nahezu völlig verflogen. Und geistig war er in bester Verfassung.
Blödsinn .
Er war süchtig nach Néomi. Ich bin süchtig nach einem Geist. Conrad konnte ihre Gegenwart nicht spüren, ihren Duft nicht riechen. Und das brachte ihn um.
Hinter einer Sonnenbrille sprangen seine Augen hin und her. Immer wieder sagte er sich, dass einzig sein eigenes Überleben zählte. Sie war ihm egal. Verdammt noch mal, das ist sie!
Doch im Verlauf der letzten drei Tage, während seine Wut nach und nach abklang, war ihm klar geworden, dass sie ihm seine Freiheit nicht aus Boshaftigkeit oder gar Selbstsucht vorenthalten hatte. Ihr Gesicht hatte so schrecklich gequält ausgesehen, als sie ihm den Schlüssel gereicht hatte. Solange er lebte, würde er nie vergessen, wie sie da im Regen vor ihm gestanden hatte, ihr liebliches Gesicht vom Glitzern der elektrischen Funken eingerahmt.
Mit jeder Stunde kehrten weitere Erinnerungen an seine wutentbrannte Tirade in sein Gedächtnis zurück. Er hatte sie beschuldigt, ihn willentlich und wissentlich der Gefahr durch seine Feinde auszusetzen. Dabei hatte sie stets bei ihm Wache gehalten, wenn er schlief. Wenn jemand Conrad auf Elancourt angegriffen hätte, hätte sie ihn – daran hatte er nicht den leisesten Zweifel – ohne Weiteres gegen die Decke geschleudert.
Und er hatte ihr unterstellt, sie habe vor, ihn verhungern zu lassen, wenn der Blutvorrat aufgebraucht
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