Immortals after Dark 08 - Eiskalte Berührung
hat versucht, ihnen mit seinem ›unreinen‹ Blut das Leben zu retten. Und er fühlt sich schuldig, sowohl weil er dabei erfolgreich gewesen ist, als auch weil er versagt hat.«
»Wie kann man denn Erfolg haben und versagen?«
»Das ist ein sehr schwieriges Thema, Daniela.«
»Du hast ja keine Ahnung, was für eine gute Zuhörerin ich bin.«
Er blickte in ihre Augen hinab. Dieses leuchtende Blau. Genauso wie in seinen Träumen. Und ohne es recht zu merken, begann er zu erzählen, wie er und Nikolai nach Hause gekommen waren, um über ihre Familie zu wachen, und sie alle im Sterben liegend und unerträgliche Schmerzen erleidend vorgefunden hatten. Er erzählte ihr, wie sie versucht hatten, ihren Brüdern und Schwestern und ihrem Vater ihr Blut einzuflößen.
Obwohl Murdoch noch keiner lebenden Seele zuvor diese Geschichte in allen Einzelheiten erzählt hatte, strömten ihm die Worte jetzt nur so aus dem Mund, als ob er darauf gewartet hätte, sie loszuwerden.
»Die meisten waren schon nicht mehr bei Bewusstsein, nur mein Bruder Sebastian war wach und merkte, was vor sich ging. Er reimte sich sogar zusammen, was aus uns geworden war, und verlangte, dass wir sie in Frieden sterben lassen sollten.« Bei dieser Erinnerung fuhr sich Murdoch mit der Hand über die Stirn. »Sebastian stand den Mädchen besonders nah, er war für sie eine Art Ersatzvater, und er hasste Nikolai und mich dafür, dass wir versuchten, sie zu wandeln. Umso mehr, als nur Conrad und er von den Toten wiederauferstanden.«
»Was ist passiert, als sie aufwachten?«, fragte Daniela in sanftem Tonfall.
»Sebastian versuchte Nikolai umzubringen. Und Conrad … Als er begriff, was wir ihm angetan hatten, verfiel er dem Wahnsinn, brüllte auf, als ob er von unerträglichen Schmerzen gepeinigt würde, und rannte in die Nacht hinaus. Seit dreihundert Jahren haben wir keinen von beiden mehr zu Gesicht bekommen.«
»Glaubst du denn, dass deine Brüder noch am Leben sind?«
»Daran muss ich glauben«, entgegnete er. Dann wartete er darauf, dass sie eine weitere Frage stellte. Wieder verharrte sie schweigend, wirkte nachdenklich, und so sagte er: »Ich habe über deine Feinde nachgedacht. Wenn ein König jemanden nur darum töten will, weil er auf der Welt ist, dann ist deine bloße Existenz schon eine Bedrohung. Was bedeutet, dass du wichtig sein musst, ein Erbe der königlichen Familie.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Erwischt.«
»Welchen Titel trägst du?«
»Ich dachte, du wüsstest das. Du hast mich doch heute erst Eiskönigin genannt.«
»Eine … Königin.« Und wenn er dem wirren Gerede Glauben schenkte, das sie im Fieberwahn von sich gegeben hatte, war sie zudem noch die Tochter von Göttern.
»Ja, Königin der Eisfeyden«, sagte sie. »Aus einer langen Linie von Winterköniginnen.«
»Aber Sigmund hat die Macht an sich gerissen?«
Wieder erstarrte sie unter seiner Handfläche. »Dann hast du mich letzte Nacht also wirklich zum Reden gebracht.«
»Warum rebellierst du nicht und holst dir dein Königreich zurück? Bring die Eisfeyden dazu, dir zu folgen!«
»So einfach ist das nicht. Sigmund ist sehr mächtig.«
»Gibt es denn niemanden, der dir gegen ihn helfen würde?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass sich tatsächlich sämtliche Eisfeyden gegen dich stellen.«
»New Orleans ist nicht gerade eine Hochburg der Eisfeyden.«
»Aber du bist hier.«
Er glaubte, sie murmeln zu hören: » Nicht mehr lange .«
»Ist Sigmund mit dir verwandt?«
»Kein Blutsverwandter«, sagte sie. »Er war der Prinzgemahl meiner Mutter.«
»Hast du eigentlich eine Ahnung, wie verrückt das klingt?«
»Willkommen in der Mythenwelt. Nur wenig ergibt einen Sinn. Feste Regeln gibt es nicht. Gerade wenn man denkt, man hätte den Durchblick, hört man von einem Vampir, dem die Sonne nichts ausmacht, einer stummen Sirene oder einer keuschen Nymphe.«
»Dann gibt es hier also niemanden, der so ist wie du?«, fragte er.
»Hast du vor, einen Putschversuch für mich zu planen, oder versuchst du nur herauszufinden, ob ich einen festen Freund habe?«
»Hast du denn einen?«, fragte er mit erstickter Stimme.
»Warum sollte dich das interessieren?«
»Ich bin neugierig. Du scheinst mir nicht der Typ zu sein, der zur Untreue neigt, und du warst eben erst in meinem Bett. Mit Begeisterung.«
»Hey, jetzt reicht’s aber.« Sie blickte sich verstohlen um und gab ihm mit einer kleinen Geste zu verstehen, dass er ruhig sein sollte.
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