Imperator 01 - Die Tore von Rom
friedliche Szenerie, in der sogar die Morgenvögel schwiegen. Die Gewalt und die Aufregung der vergangenen Nacht schienen in weite Ferne zu rücken, wenn man über die Felder blicken konnte. Gaius rieb sich kurz über das Gesicht und stieg dann die Stufen in den Hof hinab.
Alle weißen Mauern und Oberflächen waren mit braunen Flecken besudelt. In den Ecken gerannen Blutpfützen, und obszöne Flecken waren überall dort zu sehen, wo man die Leichen schon entfernt und zum Tor hinausgeschleift hatte, um sie zu Gruben zu bringen, sobald Karren zur Verfügung standen. Die Verteidiger hatte man auf sauberen Tüchern in kühlen Räumen aufgebahrt und ihre Gliedmaßen würdevoll zurechtgelegt. Die anderen wurden einfach auf einen stetig wachsenden Haufen geworfen, aus dem Arme und Beine in allen Richtungen hervorragten. Gaius sah bei der Arbeit zu, und im Hintergrund hörte er die Schreie der Verwundeten, die genäht oder für Amputationen vorbereitet wurden.
Er kochte vor Wut und hatte nichts, woran er sie auslassen konnte. Man hatte ihn zu seiner Sicherheit eingesperrt, während alle, die er liebte, ihr Leben riskierten und sein Vater seines bei der Verteidigung seiner Familie und seines Besitzes hingegeben hatte. Es stimmte, er war von der Operation noch geschwächt gewesen, der Schorf war kaum abgeheilt … aber nicht einmal die Möglichkeit gehabt zu haben, seinem Vater zur Seite zu stehen! Dafür gab es keine Worte, und als Cabera ihn aufgesucht hatte, um sein Beileid auszudrücken, hatte er ihn einfach ignoriert. Erschöpft saß er da, ließ Staub durch die Finger rinnen und erinnerte sich an die Worte, die Tubruk vor Jahren gesprochen hatte, und die er erst jetzt richtig begriff. Sein Land.
Ein Sklave kam auf ihn zu. Gaius wusste nicht, wie er hieß, doch seine Wunden wiesen ihn als einen der Verteidiger aus.
»Die Toten liegen alle vor dem Tor, Herr. Sollen wir Karren für sie holen?«
Es war das erste Mal, dass er von jemandem anders als mit seinem Namen angesprochen wurde. Gaius verschanzte sich hinter steinernen Gesichtszügen, um sich die Überraschung nicht anmerken zu lassen. Seine Seele war voller Schmerz, und seine Stimme klang, als käme sie aus einer tiefen Grube.
»Holt Lampenöl. Ich will sie an Ort und Stelle verbrennen.«
Der Sklave neigte zur Bestätigung den Kopf und lief davon, um das Öl zu holen. Gaius trat vor das Tor und betrachtete die plumpe Anhäufung von Tod. Es war ein grässlicher Anblick, aber er spürte kein Mitgefühl in sich. Jeder von ihnen hatte mit dem Angriff auf das Gut sein Ende selbst gewählt.
Er übergoss den Haufen mit Öl, schüttete es über Fleisch und Gesichter, in offene Münder und aufgerissene Augen. Dann zündete er das Ganze an und stellte fest, dass er doch nicht dabei zusehen konnte, wie die Leichen verbrannten. Der Qualm rief ihm den Raben in Erinnerung, den er und Marcus gefangen hatten, und er rief einen Sklaven zu sich.
»Holt Fässer aus dem Lager und lasst das hier brennen, bis nur noch Asche übrig ist«, sagte er grimmig. Als die Hitze stärker wurde, ging er wieder hinein, und der Geruch folgte ihm wie ein anklagender Finger.
In der Küche fand er Tubruk, der auf der Seite lag und auf ein Stück Leder biss, während Cabera eine Dolchwunde in seinem Bauch untersuchte. Gaius sah eine Weile zu, aber es wurden keine Worte gewechselt. Er ging weiter und stieß auf den Koch, der auf einer Stufe saß und das blutige Hackbeil immer noch in den Händen hielt. Gaius wusste, dass sein Vater aufmunternde Worte für den Mann parat gehabt hätte, der so einsam und verloren aussah. Er selbst brachte nichts zusammen außer kalter Wut, und so stieg er über die Gestalt hinweg, die ins Leere starrte, als wäre Gaius gar nicht da. Dann blieb er stehen. Wenn sein Vater es getan hätte, dann würde auch er es tun.
»Ich habe gesehen, wie du auf der Mauer gekämpft hast«, sagte er zu dem Koch, und seine Stimme klang endlich wieder kräftig und fest.
Der Mann nickte und schien sich zusammenzureißen. Mühsam stand er auf.
»Das habe ich, Herr. Ich habe eine Menge getötet, aber nach einer Weile habe ich sie nicht mehr gezählt.«
»Also, nachdem ich gerade hundertneunundvierzig Leichen verbrannt habe, müssen es ziemlich viele gewesen sein«, sagte Gaius und versuchte zu lächeln.
»Ja. An mir ist niemand vorbeigekommen. Ich habe noch nie so viel Glück gehabt. Ich glaube, die Götter haben die Hand über mich gehalten. Über uns alle.«
»Hast du meinen Vater
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