Imperator
separaten Blocks, die um ein Atrium angeordnet waren. Isolde erfuhr, dass es einst einem Steuerbeamten der Diözese gehört hatte.
Bischof Ambrosius empfing sie persönlich. Er trug ein bodenlanges, kostbares purpurrotes Gewand und war ungefähr in Nennius’ Alter, sah jedoch trotz seines zurückweichenden silbernen Haars aus, als könnte er immer noch einen kräftigen Schlag führen. Als er Isoldes Hände nahm, fasste sie zum ersten Mal wieder Mut, seit sie und ihr Vater Rom verlassen hatten.
Nach zwei Tagen auf der Straße waren sie alle verschwitzt, schmutzig und hungrig, und der Gestank der Stadt hing selbst hier in der Luft. Es gab kein Badehaus, aber eine Bodenheizung und warmes Wasser, und nachdem Isolde eine Stunde lang in ihren Duftwassern und Cremes geschwelgt hatte, fühlte sie sich fast wieder wie ein Mensch. Sie betrat ein großes, gut eingerichtetes triclinium und gesellte sich zu ihrem Gastgeber und seinen Gästen.
Das Mahl, das man ihnen auftischte, bestand aus sehr viel Fleisch, größtenteils vom Lamm und vom Schwein, aber es gab auch Olivenöle, Datteln und ein ziemlich gutes Fischöl, Importe vom Kontinent, die
dem Bischof zufolge heutzutage ein Luxus waren. Allerdings fehlte Wein, und Ambrosius entschuldigte sich dafür, dass er ihnen wässriges britannisches Bier vorsetzte, aber es war stark genug, um Isoldes Blut zu wärmen.
Ihr Vater, der ihre Anwesenheit wie üblich vergessen zu haben schien, machte keinerlei Anstalten, sie ins Gespräch einzubeziehen, und Damon tat es ebenso wenig. Aber der Bischof war freundlich zu ihr, und sein Diener, ein anderer junger Mönch, umsorgte sie aufmerksam. Während die von der Reise herrührenden Beschwerden im Lichtschein des niedrigen Feuers allmählich nachließen und verschwanden, begnügte sich Isolde damit, das Gespräch über sich hinwegspülen zu lassen.
Ambroisus und Nennius waren Kirchenmänner ungefähr gleichen Alters, beide Ende fünfzig, einer aus dem Herzen des Imperiums, der andere aus dessen nunmehr amputiertem Arm, und sie hatten turbulente Zeiten erlebt. Und wie alle Männer ihres Alters glaubten sie, dachte Isolde zärtlich, dass die Welt seit einem goldenen Zeitalter, das ein paar Jahrzehnte zurücklag, im Niedergang begriffen war. Eine Generation nach Konstantin geboren, der jetzt »der Große« hieß, sprachen sie ehrfurchtsvoll von dem ersten christlichen Kaiser, dessen Amtszeit eine vergleichsweise friedliche Phase gewesen war.
Doch in der gesamten bekannten Welt herrschte schlechtes Wetter. Selbst im Imperium begannen die gewaltigen Weizen- und Hirseernten auszufallen, die
Nahrungsgrundlage der großen Stadtbevölkerungen. Und im Gefolge der ersten Hungersnöte unter den Barbaren kamen Flutwellen von Flüchtlingen aus dem Innersten Asiens und schwemmten andere vor sich her, die umso unnachgiebiger gegen die Grenzen des Reiches brandeten.
Konstantin hatte die Grenze stabilisiert, indem er Barbarenvölkern erlaubt hatte, innerhalb des Reiches neue Heimatländer zu gründen – und das waren enorme Menschenmengen, zum Beispiel nicht weniger als dreihunderttausend Sarmater. Diese »Föderationspolitik« brachte eine Weile Frieden, rief jedoch auch erhebliches Murren hervor, weil viele sich fragten, ob das Imperium solch einen gewaltigen Zustrom verkraften konnte.
Auch mit den Barbaren in Britannien gab es Probleme. Als Ambrosius ein Junge von fünf Jahren gewesen war, hatte es eine »barbarische Verschwörung« gegeben, eine große Invasion aus mehreren Richtungen zugleich: Die Pikten waren über den Wall gekommen, die Skoten, Iren und Sachsen übers Meer. Ein ganzes Jahr lang hatten Chaos und Anarchie geherrscht. Ambrosius sagte, er und seine Angehörigen hätten sich innerhalb der Stadtmauern eingeigelt, während die Jungen einander grauenerregende Geschichten über die kleine Kinder fressenden, fremden Wilden erzählten, die im Land umherschweiften.
Gleichzeitig trug der auf Konstantins Tod folgende Bruderkrieg unter seinen drei rivalisierenden Söhnen neue Unruhe ins Herz des Reiches. Britannien brachte
Usurpatoren wie Magnentius hervor, der einen von Konstantins Söhnen tötete, nur um bei Mursa in Pannonien einem anderen zu unterliegen. Das Imperium wurde erneut zu einer Arena des Konflikts zwischen starken Männern und ihren Armeen. Als Konstantins Verträge dann von einer Barbarengruppe, den Visigoten, gebrochen wurden, führte der jahrzehntelang vor sich hin köchelnde Konflikt schließlich zur Schlacht bei
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