Imperator
bezahlt deinen Lohn.«
Cunedda erwiderte: »Aber was ist denn schlecht daran, den Römern das Geld abzunehmen? Ich hätte gedacht, du würdest das gutheißen.«
»Wieso kümmert es dich, was ich denke? Du bumst meine Base, stimmt’s?«
Cunedda errötete.
»Dann hast du es also die ganze Zeit gewusst?«, fuhr Agrippina auf.
Nectovelin tippte sich an die Stirn. »Glaubst du, ich hätte das reife Alter von siebenundvierzig Jahren erreicht, wenn ich blind und taub wäre? Außerdem hat Bala es mir erzählt.«
Agrippina blieb die Luft weg. Bala von den Cantiacern
war einmal ihre Freundin gewesen; sie hatten sich wegen Cunedda zerstritten. »Dieses niederträchtige Miststück. Ich reiße ihr die Kehle heraus!«
Cunedda lachte. »Jetzt klingst du wirklich wie Nectovelins Base.«
Nectovelin hielt sich ein Nasenloch zu und blies das andere aus. In seinem Bart blieb eine Schleimspur zurück, die er mit dem Ärmel wegwischte. »Deshalb seid ihr also an den Strand gekommen. Um mich rumzukriegen.«
Agrippina hängte sich voller Zuneigung bei ihm ein. »Ach, nun mach keine Schwierigkeiten, du alberner alter Schwindler. Du weißt, du warst immer fast so etwas wie ein Vater für mich, seit mein eigener Vater gestorben ist.«
»Aber du hast meine Erlaubnis nicht gebraucht, um die Beine breit zu machen.«
»Sei nicht vulgär! Nein, aber ich möchte, dass du zu uns gehörst, dass du ein Teil unserer Beziehung bist.«
Nectovelin musterte Cunedda. »Du hättest eine schlechtere Wahl treffen können.«
»Danke«, sagte Cunedda trocken. »Aber ich dachte, du magst uns Catuvellaunen nicht.«
»Nimm’s nicht persönlich. Ich mag keinen von euch weichärschigen Südbritanniern.« Er sah sich mit wütender Miene an dem sonnenbeschienenen Strand um. »Das hier ist das Arschloch Britanniens. Deshalb hat Caesar hier sein römisches Schwert reingesteckt.«
»Wenn das hier ein Arschloch ist«, sagte Cunedda
bedächtig, »bist du dann der Darminhalt, der es durchquert, alter Krieger?«
Nectovelin runzelte die Stirn, und Agrippina dachte einen schrecklichen Moment lang, er wäre beleidigt. Aber er zwinkerte Agrippina zu. »Nette Erwiderung. Aber ich war geistreicher, oder?«
»Oh, du bist ein richtiger Cicero«, sagte Agrippina trocken. »Wahrscheinlich hast du doch ein bisschen was von einem Römer in dir …«
»Wie Cassivelaunus, als Caeser ihn sich geschnappt hatte.«
Sie brachten es alle fertig, darüber zu lachen.
Auf einmal sagte Nectovelin: »Aber wenn du ihr wehtust …«
»Werde ich nicht«, versprach Cunedda.
»Hast du Angst vor mir, Junge?«
»Nicht vor dir«, sagte Cunedda tapfer. »Aber vor ihr.«
Nectovelin schaute finster drein. Dann brach ein weiteres Lachen seine strenge Miene auf, und er klopfte Cunedda auf die Schulter.
Agrippina machte ein paar Schritte nach vorn, und das tiefere Wasser plätscherte äußerst angenehm gegen ihre bloßen Beine. »Schaut.« Mit ihrem Zeigefinger zog sie die Küstenlinie nach. »Diese Bucht ergäbe einen guten Hafen. Sie wird von dieser Insel und den Kiesbänken dort drüben im Süden geschützt.«
Cunedda sagte: »Auf diese Idee ist auch schon jemand anders gekommen.« Er zeigte auf einen Haufen Netze und eine Schar Möwen am Strand, die sich um
Fischabfälle balgten. »Ich verstehe gar nicht, wieso es hier nicht von Schiffen wimmelt.«
»Weil die Bucht noch zu neu ist«, sagte Nectovelin. »Vor ein paar Jahren gab es hier einen schweren Sturm. Dabei wurde eine Sandbank durchbrochen. Diese Insel hat es bei meiner Geburt noch gar nicht gegeben.«
Cunedda nickte. »Dann war der Hafen zu Caesars Zeit also noch nicht hier?«
»Nein. Er ist nicht einmal in der Nähe gelandet.« Nectovelin erzählte ihnen von Caesars schwieriger Landung unterhalb der weißen Kalkklippen an der Südküste.
Agrippina dachte mit leisem Unbehagen an eine pikante Information, die sie bei einem Händler in Durovernum aufgeschnappt hatte, der Hauptstadt der Cantiacer, des hiesigen Volksstamms. Die Cantiacer hatten zwar noch keinen Namen für diesen neuen Hafen, die Römer aber sehr wohl: Sie nannten ihn Rutupiae. Dank ihrer unaufhörlichen, besessenen Landvermessung und Kartografie und der vorsichtigen Spionagetätigkeit ihrer Händler hatten die Römer die mögliche Bedeutung dieses Ortes noch vor den Einheimischen erkannt.
Agrippinas Blick wurde von einem anderen Umriss am Horizont abgelenkt. Vielleicht ein weiteres Handelsschiff mit Ledersegeln aus Gallien. Heute schien reger Verkehr zu
Weitere Kostenlose Bücher