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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hier.«
    »Und du hast es nicht der Mühe für wert befunden, mir etwas von all dem zu sagen?«
    »Ich wollte erst sicher sein, dass der alte Nectovelin mich nicht sowieso von dir fernhält. Aber er scheint mich zu akzeptieren, nicht wahr? Also müssen wir nun entscheiden, was wir tun wollen. Denk darüber nach, Agrippina. Wenn ich nach Gallien gehe, stehen mir die Handelswege des ganzen Reiches weit offen. Und ich muss nicht jedes Mal, wenn ich eine neue Produktreihe herausbringe, einen weiteren schafsköpfigen Britannier anlernen!«
    »Jetzt klingst du selbst wie ein Römer«, sagte sie.
    Er sah sie an. Offenkundig versuchte er, ihre Stimmung einzuschätzen. »Und, ist das so schlimm? Du bist doch in Gallien aufgewachsen.«
    »Aber ich bin zurückgekommen«, erwiderte sie leise.
    Er runzelte die Stirn. »Hör zu, wenn es dich unglücklich macht, lassen wir es bleiben. Ich finde schon einen anderen Weg, aus Quintus’ Vertrauen in mich Nutzen zu ziehen.«
    »Das würdest du für mich tun?«
    »Natürlich. Ich wünsche mir eine gemeinsame Zukunft mit dir, Pina. Aber es muss eine Zukunft sein, die wir beide wollen …«
    Sie seufzte und legte sich zurück. Genau da lag das
Problem: Was wollte sie? In Gallien hatten ihre Freundinnen und Freunde, so nett sie gewesen waren, stets herabgeschaut auf sie, eine Barbarin von einem Ort außerhalb der Zivilisation. Doch nun schien es auch in Brigantien keinen Platz mehr für sie zu geben, denn dort konnte niemand die Erfahrung mit ihr teilen, wie beim Lesen in ihrem Geist Funken sprühten. Außerdem gab es auch praktischere Probleme. In Britannien konnte eine Frau einem Mann ebenbürtig oder sogar überlegen sein. Ihr eigener Volksstamm wurde von einer Frau namens Cartimandua regiert. In Rom würde sie jedoch nie mehr sein können als jemandes Gemahlin  – und selbst wenn dieser Jemand so wunderbar war wie Cunedda, war das wirklich genug?
    »Ich habe dich durcheinandergebracht«, sagte Cunedda leise. »Tut mir leid. Wir reden morgen darüber.« Er legte seine warme Hand auf ihre Wange. »Kannst du den Himmel lesen, Agrippina? Siehst du an deinem Geburtsort dieselben Sterne? Da.« Er suchte einen hellen Stern heraus. »Das ist der Hund. Wenn wir ihn frühmorgens zum ersten Mal sehen, wissen wir, dass der Sommer vor der Tür steht. Er ist der Anführer des Rudels, verstehst du. Und im Winter halten wir Ausschau nach dem da« – er zeigte auf einen anderen Stern –, »denn wenn er im Osten aufgeht, wissen wir, dass wir den Winterweizen ausbringen müssen. Wir glauben, dass einmal ein Mädchen an einen Strand gespült wurde – vielleicht an einen ganz ähnlichen Strand wie diesen hier –, nachdem sie aus einem fernen Land hergeschwommen war. In ihrem Bauch trug sie die
Saat, aus der später der erste König der Catuvellaunen hervorgehen sollte. Aber in jener ersten Nacht fror sie, und es war dunkel. Sie zündete ein Feuer an, und die Asche stieg hoch in die Luft. Und so entstanden die Sterne.«
    »Bei uns gibt es ähnliche Geschichten«, sagte sie. »Und ja, wir lesen den Himmel.«
    Er strich ihr mit der Hand über die Seite, eine erregende Berührung. »Erzähl mir von Brigantien.«
    Sie lächelte im Dunkeln. »Brigantien ist ein großes Land, das sich von einem Meer bis zum anderen erstreckt, von Osten nach Westen und von Norden nach Süden. Man kann tagelang reiten, ohne an seine Grenzen zu gelangen. In unserer Sprache bedeutet der Name ›hügelig‹. Ich bin in einem Ort namens Eburacum geboren, was ›Ort der Eiben‹ bedeutet. Unser heiliges Tier ist der Eber. Und Nectovelin wurde in Banna geboren, auf einem Höhenzug mit Blick auf ein Flusstal, das aussieht, als wäre es mit einem Löffel ausgehöhlt worden. Es ist ein schöner Ort.«
    »Und die aufregende Coventina, diese große Göttin, über die Nectovelin seine Scherze macht?«
    »Sie ist überall in der Landschaft. Man kann ihre Brüste in den wogenden Hügeln sehen, ihre Schenkel in den tief eingeschnittenen Tälern …« Sie reagierte auf die Bewegungen seiner streichelnden Hand. »Oh, Cunedda …«
    Ein Ruder klatschte ins dunkle Wasser.

IV
    Agrippina setzte sich abrupt auf.
    Cunedda war überrascht. »Was ist?«
    Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. Als sie aufs Meer hinausschaute, sah sie nichts. Aber da war es wieder, das unverkennbare Klatschen eines ungeschickt gehandhabten Ruders, der dumpfe Laut von Holz auf Holz – und ein unterdrückter Fluch, eine Männerstimme.
    »Das habe ich

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