Imperium
stellen, auf deren Beantwortung er tatsächlich Wert legte.
»Etwa zweihundertsechzigtausend Exemplare täglich«,
erwiderte Hahn. »Und von unserer zweiten Tageszeitung in Frankfurt verkaufen wir gut zweihunderttausend Stück am Tag.«
»Wie viele Zeitungen gehören Ihnen denn?« wollte
Armstrong wissen und stocherte mit der Gabel in seinem Essen.
»Nur diese beiden. Vor dem Krieg waren es siebzehn, dazu noch einige wissenschaftliche Fachzeitschriften. Doch ehe nicht sämtliche Beschränkungen aufgehoben sind, kann ich nicht einmal daran denken, weitere Zeitschriften auf den Markt zu bringen.«
»Ich war bisher der Meinung, daß Juden – ich bin selbst Jude, wissen Sie – vor dem Krieg der Besitz von Zeitungsverlagen nicht gestattet war.«
»Das stimmt, Captain Armstrong. Aber ich habe meine
sämtlichen Firmenanteile an meinen arischen Geschäftspartner veräußert, der sie mir bereits wenige Tage nach Kriegsende zum gleichen Preis zurückverkaufte.«
»Und die Zeitschriften?« Armstrong kaute auf der
Kaninchenpastete. »Könnten sie in diesen schweren Zeiten überhaupt Gewinn abwerfen?«
»O ja. Auf Dauer könnten die Zeitschriften sich sogar als zuverlässigere Einnahmequelle erweisen als die Tageszeitungen. Vor dem Krieg hat mein Verlag den Hauptteil der wissenschaftlichen Publikationen Deutschlands herausgegeben.
Doch von dem Tag an, als Hitler in Polen einmarschierte, wurde uns untersagt, auch nur eine dieser Zeitschriften zu veröffentlichen, da sie sich angeblich für die Feinde des Dritten Reiches als nützlich erweisen könnten. Zur Zeit sitze ich auf acht Jahrgängen unveröffentlichter Forschungsarbeiten und einer Vielzahl wissenschaftlicher Schriften, die während des 290
Krieges verfaßt wurden. Ein solches Material könnte sehr viel Geld einbringen, sofern die Absatzmöglichkeiten gewährleistet sind.«
»Was hindert Sie daran, diese Schriften jetzt zu
veröffentlichen, wo der Krieg zu Ende ist?« fragte Armstrong.
»Mein Londoner Verlagspartner, mit dem ich eine
Abmachung hatte, will sich aus dem Geschäft zurückziehen.«
Die nackte Glühbirne, die von der Decke hing, erlosch plötzlich, und ein kleiner Kuchen, mit einer einzelnen brennenden Kerze in der Mitte, wurde auf den Tisch gestellt.
»Aber wieso?« Armstrong war entschlossen, eine vorzeitige Beendigung des Gesprächs zu unterbinden. Derweil pustete Arno Schultz unter dem Beifall der Gäste die Kerze aus.
»Weil der einzige Sohn des leitenden Direktors bei
Dünkirchen gefallen ist«, entgegnete Hahn, während das größte Stück Kuchen auf Armstrongs Teller bugsiert wurde. »Ich habe ihm mehrmals geschrieben und ihm kondoliert, aber er
antwortet nicht.«
»Es gibt noch andere Verlage in England.« Armstrong
stopfte sich ein Stück Kuchen in den Mund.
»Gewiß, aber es wäre ein Vertragsbruch, würde ich mich jetzt sofort an einen anderen Verlag wenden. Ich muß allerdings nur noch wenige Monate warten, dann steht mir diese Möglichkeit frei. Ich habe bereits darüber nachgedacht, welcher andere Londoner Verlag meine Interessen am besten vertreten könnte.«
»Tatsächlich?« Armstrong wischte sich die Kuchenkrümel aus den Mundwinkeln.
»Falls Sie sich einmal die Zeit dafür nehmen könnten, Captain Armstrong«, sagte der deutsche Verleger, »wäre es mir eine Ehre, Ihnen mein Verlagsunternehmen zu zeigen.«
»Zur Zeit stehe ich ziemlich unter Termindruck.«
»Ja, natürlich, ich verstehe«, versicherte ihm Hahn.
»Aber vielleicht könnte ich mal kurz vorbeischauen, wenn 291
ich das nächste Mal im amerikanischen Sektor bin.«
»Ja, bitte, tun Sie das.«
Armstrong bedankte sich bei seinem Gastgeber für den
schönen Abend, wobei er es so einrichtete, daß er sich zur gleichen Zeit verabschiedete wie Julius Hahn.
»Ich würde mich freuen, wenn wir uns bald einmal
wiedersehen«, sagte Hahn, als sie auf den Bürgersteig hinaustraten.
»Das werden wir bestimmt«, versicherte Armstrong und gab Arnold Schultz’ engstem Freund die Hand.
Als Dick gegen Mitternacht nach Hause kam, schlief
Charlotte bereits. Er zog sich aus, schlüpfte in einen Morgenrock und schlich zu Davids Zimmer hinauf. Dann stand er eine ganze Weile neben dem Bettchen seines Sohnes und blickte den Kleinen an.
»Ich werde dir ein Imperium errichten«, flüsterte er. »Ein Verlagsimperium, auf das du stolz sein kannst, wenn du es einmal übernimmst.«
Am nächsten Vormittag berichtete Armstrong Colonel
Oakshott, daß er an der Feier zu
Weitere Kostenlose Bücher