Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
Ursache erworbener Hirnschäden.
Auch die Kehldeckelentzündung ist eine lebensbedrohliche Erkrankung und bedarf immer intensivmedizinischer Behandlung. Sie beginnt mit hohem Fieber, starken Halsschmerzen und massiver Schluckstörung. Die betroffenen Kinder lassen den Speichel aus dem Mund laufen, haben eine kloßige Sprache und zunehmende Atemnot – jedoch im Unterschied zum Krupp keinen Husten.
Seit dem 1. Januar 2001 müssen in Deutschland Erkrankungen namentlich gemeldet werden, wenn im Blut oder im Rückenmarkswasser eines Kranken Haemophilusbakterien nachgewiesen wurden.
Risikogruppen für Hib-Erkrankungen
In den ersten drei Lebensmonaten haben Kinder durch mütterliche Antikörper in der Regel einen Nestschutz vor Hib. Die Hälfte aller Hib-Erkrankungen betrifft die Altersgruppe zwischen dem vierten und zwölften Lebensmonat. Nach dem fünften Geburtstag sind Hib-Infektionen selten.
Schwedische Forscher fanden ein signifikant geringeres Hib-Risiko bei gestillten Kindern, wobei jede Woche ausschließlicher Muttermilchgabe das Risiko weiter verringert. Dieser Effekt hält auch nach Ende des Stillens bis ins Schulalter an. Die Autoren empfehlen, das Stillen unter diesem Aspekt in Ländern zu propagieren, in denen die Impfung aus finanziellen Gründen nicht durchführbar ist (Silfverdal 1997).
Passiv rauchende Kleinkinder haben ein bis zu sechsfach erhöhtes Risiko für Hib-Erkrankungen (Vadheim 1992). Auch Frühgeborene und Kinder mit Milzerkrankung sind vermehrt gefährdet. Vor Einführung der Impfung erkrankten auch Krippenkinder häufiger an Hib (Cochi 1986). Seit Einführung der Impfung hat sich ihr Risiko jedoch stark verringert.
Die Hib-Impfung
Ab 1990 wurde in Europa nach und nach die Hib-Impfung eingeführt. Es handelt sich um einen Totimpfstoff. Die Entwicklung des Impfstoffs war kompliziert, da Kinder in den ersten 18 Lebensmonaten nicht auf die Impfung mit Bruchstücken der Bakterienkapsel ansprechen. Diese enthalten nämlich kein Eiweiß und sind für die Abwehrzellen schlecht zu erkennen. Erst ein Kunstgriff überlistet das noch unreife Immunsystem und macht die Impfung ab dem dritten Lebensmonat wirksam: Antigen der Hib-Bakterien wird an ein Trägereiweiß aus Tetanustoxoid, Diphtherietoxoid oder Meningokokkenbakterien gebunden (»Konjugatimpfstoff«).
Die Hib-Impfung ist für alle Kinder ab dem dritten Lebensmonat empfohlen. Auch Frühgeborene sollen schon zu diesem Zeitpunkt geimpft werden. Dies führt bei ihnen jedoch zu einer deutlich geringeren Ansprechrate als bei späterer Impfung (Tsuda 2011). Die Hib-Impfempfehlung gilt nur bis zum fünften Geburtstag, da Hib-Erkrankungen danach äußerst selten auftreten.
Den Hib-Impfstoff gibt es als Einzelimpfstoff – in Deutschland und Österreich unter dem Namen ACT -Hib (Sanofi), in der Schweiz als Hiberix ( GSK ). Beide kommen ohne Aluminiumhilfsstoff aus. Der Einzelimpfstoff muss zweimal im Abstand von ein bis zwei Monaten und ein letztes Mal im zweiten Lebensjahr aufgefrischt werden; bei Impfbeginn nach dem ersten Geburtstag reicht eine einzige Impfdosis.
Die Hib-Komponente ist auch in allen Fünf- und Sechsfachimpfstoffen enthalten. Kombinationsimpfstoffe werden in Deutschland und der Schweiz bis zum fünfzehnten Lebensmonat viermal verabreicht, in Österreich – nach dem skandinavischen Impfschema – bis zum zwölften Lebensmonat dreimal.
Ist es in einem Haushalt zu einer schweren Hib-Infektion gekommen und lebt dort noch ein Säugling oder ein ungeimpftes Kind, so ist für alle Mitglieder des Haushalts (außer einer Schwangeren) die Gabe des Antibiotikums Rifampicin über vier Tage empfohlen. Dieselbe Prophylaxe soll bei ungeimpften bis zu vierjährigen Kindern durchgeführt werden, wenn sie im Kindergarten innerhalb der letzten sieben Tage engen Kontakt zu Personen hatten, die an Hib erkrankt sind.
Die Wirksamkeit der Impfung
Die Hib-Impfung ist ohne Zweifel sehr gut wirksam. In den USA gab es vor der Einführung der Impfung jährlich etwa 20000 schwere Hib-Infektionen, zwei Drittel davon Gehirnhautentzündungen. Betroffen waren insbesondere die Ureinwohner Alaskas mit einem zehnmal so hohen Risiko wie die übrige Bevölkerung. Nach Einführung der Impfung gingen die Krankheitszahlen innerhalb weniger Jahre um 98 Prozent zurück ( CDC 2010). In Deutschland waren vor Einführung der Impfung pro Jahr mehr als 1500 Kinder von einer schweren Hib-Erkrankung betroffen. In den Jahren 2001 bis 2007 wurden nur noch vier bis 19
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