In aller Unschuld Thriller
eingestürzt war, konnte sie sehen, dass Sonnenstrahlen ins Innere fielen und helle Flecken bildeten.
Karl Dahl machte Anstalten, sie in das Gebäude zu führen.
Carey stemmte sich ihm entgegen, aber er hielt ihren Arm fest umklammert.
»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Carey«, sagte er leise.
Er sprach ihren Namen wie eine Liebkosung aus. Es jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
»Sie sollten mich mit Sie und Richterin Moore anreden, Karl«, sagte sie mit einer Stimme, die ihr selbst fremd war. Ein heiseres, trockenes Krächzen, das aus ihrer ausgedörrten Kehle stieg. Ihr Kehlkopf fühlte sich so groß an wie eine Faust. Sie wünschte, sie hätte stark und gelassen geklungen, um ihm den Eindruck zu vermitteln, dass sie jemand war, den man respektieren musste.
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein. Darüber sind wir hinaus. Du bist der einzige Mensch, der nett zu mir war. Du verstehst, dass die Dinge, die ich früher gemacht habe, nicht böse waren.«
Karl Dahls Vorstrafenregister enthielt Festnahmen und Haftstrafen wegen einer ganzen Reihe von Vergehen – unbefugtes Betreten, Erregung öffentlichen Ärgernisses, Einbruch und Hausfriedensbruch. Keine Gewalttaten. Keine Entführung, keine Körperverletzung, keine Vergewaltigung, kein …
Aber er stand vor Gericht wegen des brutalen Mordes an der Frau und den beiden Kindern einer Familie, die ihm nichts Böses getan hatte.
Sie erinnerte sich daran, was Chris Logan am Freitagnachmittag gesagt hatte.
»Daran lässt sich die Eskalation eines Verhaltensmusters feststellen«, wandte Logan ein. »So läuft das doch bei diesen Perversen. Sie fangen klein an und arbeiten sich langsam nach oben.«
Er hatte Recht. Carey wusste über die Karl Dahls dieser Welt genauso viel wie Logan. Der Würger von Boston hatte auch mal als Spanner angefangen.
Als Staatsanwältin hatte sie während der Vorbereitung auf einen Prozess die einzelnen Teile der kriminellen Vergangenheit des Angeklagten zusammenzufügen versucht, indem sie jedem einzelnen Schritt in seiner Verbrechenskarriere nachgegangen war. Und sie hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, um den vorsitzenden Richter von ihrer Vorgehensweise zu überzeugen.
Jetzt war sie die Richterin. Und als Richterin musste sie sich an andere Regeln halten.
»Ich weiß nicht viel von Ihnen, Karl«, sagte sie, und jeder Atemzug tat ihr in der Kehle weh.
Sie sah über seine linke Schulter und erblickte den Wagen. Ankas Wagen. Panik erfasste sie. Sie hatte das letzte Mal mit Anka gesprochen, als sie am Abend weggefahren war, um sich einen Film auszuleihen. Sie war so mit ihren Gedanken beschäftigt gewesen, dass sie nicht weiter darauf geachtet hatte, als Anka wieder nach Hause gekommen war. Sie konnte sich dunkel daran erinnern, dass sie gehört hatte, wie sich die Küchentür öffnete. Aus dem Augenwinkel hatte sie wahrgenommen, dass eine blonde Frau durch die Diele und dann die Treppe hinaufgegangen war.
Bei der Vorstellung, dass es sich bei dieser blonden Frau um Karl Dahl gehandelt haben könnte, bekam sie eine Gänsehaut. Wie lange war er in ihrem Haus gewesen? Was hatte er dort gemacht, während sie im Arbeitszimmer entdeckt hatte, wie tief ihr Ehemann gesunken war? War er im ersten Stock gewesen, als sie in ihr Schlafzimmer gegangen und ins Bett gefallen war, ohne sich vorher auszuziehen? War er in ihrem Zimmer gewesen? War er in Lucys Zimmer gewesen?
Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte vor ihr das am Tatort aufgenommene Foto von den beiden Pflegekindern der Familie Haas auf.
»Ach«, sagte Dahl schüchtern, »da gibt es nicht viel zu wissen.«
»Doch, bestimmt«, widersprach Carey mit zitternder Stimme. »Sie haben doch bestimmt viel erlebt.«
»Ich würde lieber deine Geschichte hören«, sagte er. »Gehen wir rein. Ich habe alles vorbereitet.«
»Was soll das heißen, Karl?«
Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln, dem das clowneske Make-up und die immer noch blutende Wunde in seinem Gesicht, die er gar nicht zu bemerken schien, etwas Unheimliches verliehen. »Das wirst du noch früh genug sehen.«
Er setzte sich wieder in Bewegung und zog Carey hinter sich her. Eine innere Stimme sagte ihr, dass sie nicht mit ihm in das Haus gehen durfte. Solange sie im Freien waren, bestand zumindest die vage Chance, dass jemand vorbeikam und sie ihm davonlaufen konnte. Diese Chance wurde jedoch mit jedem Schritt, den er sie hinter sich herzerrte, kleiner.
»K-können wir nicht noch ein
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