In alter Freundschaft - Kriminalroman
Gefühle ungern in der Öffentlichkeit. Das Verstecken gehört zu meinem Job.«
Ich hatte sie nicht restlos überzeugt, aber sie taute ein bisschen auf. »Als ich Sie da sitzen sah, dachte ich zuerst, Sie seien von der Polizei. Und dann glaubte ich, Sie wären der Mörder.«
Sollte ich ihr verraten, dass ich nachträglich in den Kreis der Verdächtigen aufgestiegen war? »Ines' Freund, Armin Hinz, wird von der Polizei gesucht.«
»Ich weiß. Ich hoffe, dass sie das Schwein bald finden.«
Meine Meinung dazu verriet ich ihr nicht. »Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, setzte ich vorsichtig an. »Ich kenne Armin Hinz. Aus den alten Tagen«, fügte ich hinzu, als ich ihr erschrockenes Gesicht sah. »Und ich weiß, dass er selten eine Affäre ausließ. Auch Ines war nicht gerade eine Hohepriesterin der Monogamie, davon kann ich selber ein Lied singen. Bei einer krisenhaften Beziehung der beiden, wie wir sie für die letzte Zeit annehmen können, wäre es also durchaus möglich, dass sie, sagen wir, einen Nebenfreund hatte.«
»Davon weiß ich nichts«, erklärte die Kummer kategorisch. Etwas zu kategorisch, wie ich fand.
»Nun ja, es war nur ein Gedanke. Ich hatte gehofft, dass Sie mir einen Tipp geben können.«
»Tut mir leid, dass ich Ihnen da nicht helfen kann.« Sie guckte auf die Uhr.
Höflich, wie ich manchmal sein kann, verstand ich den Wink und leitete meinen Aufbruch ein. Zum Abschied versicherten wir uns wenig überzeugend, dass wir uns demnächst gerne länger unterhalten würden.
Es war noch etwas früh für meine Schicht im Bad, aber andererseits konnte es nicht schaden, meine Kollegen kennenzulernen. Also fuhr ich über den Ring zur Steinfurter Straße und parkte auf dem riesigen Parkplatz, der später, wenn das Geld in Carlo Pontis Kassen klingelte, brechend voll sein würde.
Hajo Gries war auf dem Posten, das heißt, er stand an einer der drei Theken, genehmigte sich einen dreifachen Whisky und tuschelte mit einer Frau, deren Top so eng geschnitten war, dass sie genauso gut nackt hätte herumlaufen können.
»Hallo, Georg!«, brüllte Hajo und wedelte mit der Hand. »Das ist Sonja. Sie arbeitet hier an der Theke. Mit dir zusammen.«
Die Frau zog abschätzend die Mundwinkel hoch. »Hi! Aussiedler, oder was?«
»Nee. Münsteraner, seit achtzehn Jahren.«
»Ach so. Ich dachte, wenn einer in deinem Alter hier noch malocht, dann kann er nur aus Rumänien kommen.«
»Ich bin in einer kleinen beruflichen Krise«, murmelte ich verschämt. »War eine Weile aus dem Verkehr gezogen.«
Sonja wandte sich an Hajo: »Hab ich dir nicht gesagt, dass ich nicht mehr mit Knackis zusammenarbeiten will?«
Hajo war das Ganze sichtlich peinlich. »Hör mal, Sonja, Georg ist in Ordnung, ehrlich. Ich kenn ihn von früher. Außerdem ist er ein Kumpel vom Chef.«
Sonja warf mir einen letzten Blick zu und verzog sich dann hinter die Theke. Soweit zu meinen Kollegen. Zumindest der Begrüßungsdelegation.
Ich zog Hajo von seinem Whisky weg. Dabei merkte ich, dass er nicht mehr ganz sicher auf seinen Beinen stand.
»Das mit dem ›Kumpel vom Chef‹ lässt du besser. Braucht ja nicht jeder zu wissen, dass ich einen Draht zu Carlo habe.«
»Ist mir so rausgerutscht.« Seine Zunge wurde von Sekunde zu Sekunde schwerer. »Ich wollte nur, dass Sonja …«
»Schon gut. Aber in Zukunft kein Wort mehr.«
»Keep cool, baby.« Er stützte sich auf mich. Sein Geruch ließ vermuten, dass er in den letzten Tagen keine Dusche gesehen hatte.
»Ich hab einen Kleinen sitzen. Diese Scheiße erträgst du nur, wenn du dir ab und zu einen zischst.« Am letzten Wort scheiterte er kläglich.
Ich riet ihm, nach Hause zu gehen und sich auszuschlafen.
»Nach Hause?«, brüllte er auf. »Meinst du, ich will meine Frau mit diesem … mit diesem …«, ihm fiel kein passendes Wort ein, »… erwischen?« Tränen liefen ihm über das Gesicht. »Ich hab drei Kinder, drei.« Zur Verdeutlichung hielt er mir drei Finger vor die Nase. »Ach, Scheiße.«
»Dann leg dich hier irgendwo in die Ecke! Wenn Carlo dich so sieht, gibt's Ärger.«
»Der Blödmann.« Er sabberte mir mein frisches Hemd voll. »Der kann mich mal.«
Aus dem Nichts war Sonja aufgetaucht und nahm mir Hajo ab. »Lass mich das mal machen. Ich hab da Erfahrung.«
Sie schulterte ihn durchaus gekonnt und schleppte ihn Richtung Garderoben. Zum ersten Mal kam sie mir irgendwie menschlich vor.
Fünf Minuten später stand sie hinter und ich vor der Theke.
»Willst du was
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