In alter Freundschaft - Kriminalroman
Nachbarn vermutlich Grund zum ständigen Ärger gab. Dann stand ich auf einer Terrasse vor einer Tür, die einen Spaltbreit offen war. Ein C-Film hätte das nicht klischeehafter arrangieren können.
Ich hielt den Atem an und lauschte. Nicht mal die Idee eines Geräusches drang nach außen. Hinter der Terrassentür lag ein hell erleuchtetes Wohnzimmer. Es war geschmackvoll eingerichtet und mehrere halb volle Gläser zeigten an, dass das Gebiet noch bis vor Kurzem von menschlichen Wesen bevölkert worden war.
Ich wiederholte die Prozedur mit dem Luftanhalten zweimal, bevor ich an dem Griff zog und die Tür sanft in ihrem Scharnier bewegte. Der nächste Schritt erfüllte den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs. Ich ging wie auf Eiern, bereit, beim leisesten Geräusch aus dem Haus zu flüchten. Wenn nur nicht dieses fürchterliche Gefühl gewesen wäre, das mein Gehirn aushöhlte wie ein Termitenstamm einen harmlosen Pfahlbau.
Im ganzen Haus brannte Licht. Im Flur genauso wie in der Küche, die ein halbes Stockwerk über dem Wohnzimmer lag. Links von der Küche befand sich ein Arbeitszimmer und rechts ein Schlafzimmer mit einem riesigen Bett und auf Schlafzimmerstärke eingestellten Halogenleuchten. Vor dem Bett lag eine Frau.
Bevor ich den Blutfleck an ihrem Hinterkopf sah, wusste ich, dass sie tot war. Vielleicht wegen der merkwürdig verrenkten Haltung, in der sie auf dem Boden lag, vielleicht wegen der unglaublichen Stille, die nur in Zimmern mit Toten herrscht. Jedenfalls wusste ich, dass sie tot war. Ich beugte mich trotzdem hinab und fühlte nach ihrem Puls. Die Hand war noch warm und kein bisschen steif.
Die Tote trug einen gestreiften Pyjama und mittellanges schwarzes Haar. Ich drehte den Kopf soweit, dass ich das Gesicht sehen konnte. Zwei starre Augen glotzten mich an. Der Tod begann das vormals sanfte Gesicht zu modellieren. Noch vor einer oder zwei Stunden war sie schön gewesen, jetzt war sie tot.
Ich merkte, wie mein Kreislauf durchsackte, und kniete mich hin. Alles, was ich längst vergessen glaubte, wurde wieder wach. Sie war mal die Frau meines Lebens gewesen, eine viel zu kurze Zeit lang.
Eine Ewigkeit oder zehn Sekunden später stand ich mühsam auf. Ich musste etwas tun. Irgendetwas Sinnloses wie die Polizei anrufen.
IV
Klaus Stürzenbecher sah übermüdet und verärgert aus. Sein schlecht sitzender Anzug und die wie eine Wetterfahne herabhängende Krawatte wirkten wie der stumme Protest eines Beamten gegen zu niedrige Bezahlung und zu lange Arbeitszeiten. Stürzenbecher war Hauptkommissar bei der münsterschen Kriminalpolizei und so etwas wie ein alter Bekannter von mir. Seitdem ich ihm einmal aus der Patsche geholfen hatte, konnte ich auf seine Loyalität zählen. Was er schon mehr als einmal bereut hatte.
»Wo ist sie?«, fragte er, ohne sich mit der Begrüßung aufzuhalten.
Ich nickte in Richtung Schlafzimmer und ließ ihm den Vortritt. Er beugte sich kurz über die Tote, während ich das Bett anstarrte. Hinter uns strömten die Jungs von der Spurensicherung in den Raum.
»An die Arbeit, Männer!«, sagte Stürzenbecher. »Wo können wir uns unterhalten?« Das Letzte galt mir.
»Unten gibt es ein Wohnzimmer«, antwortete ich.
Wir ließen uns in zwei Sessel fallen und Stürzenbecher blätterte ein zerfleddertes Notizbuch auf.
»Name?«
»Ines Block. Zumindest hieß sie mal Block, vielleicht hat sie inzwischen geheiratet.«
»Warst du dabei, als es passierte?«
»Nein.«
Er guckte auf. »Komm schon, Wilsberg! Ich war gerade im Bett, als das Telefon klingelte. Auf Frage- und Antwortspielchen hab ich keine Lust. Erzähl alles, was du weißt!«
Ich erzählte ihm fast alles, was ich wusste, und mir fiel auf, wie wenig das war. Besonders missfiel Stürzenbecher, dass ich nicht mal Armins Adresse kannte.
»Das ist eine Mordgeschichte, Wilsberg. Wenn du einen Verdächtigen schützt, machst du dich selber strafbar. Und ich werde einen Teufel tun, dir dabei zu helfen.«
»Ist mir klar. Aber bis vor einer halben Stunde hatte ich keine Ahnung, dass es sich um ein Verbrechen handelt.«
»Wie wollte dieser Armin Hinz mit dir in Verbindung treten?«
»Er wollte mich anrufen.« Ich guckte auf die Uhr. »Vor fünf Minuten.«
»Gut.« Stürzenbecher klappte sein Notizbuch zu. »Dann solltest du schleunigst nach Hause fahren. Sag ihm, er muss sich umgehend bei der Polizei melden. Andernfalls steht er als Hauptverdächtiger ganz oben auf der Fahndungsliste.«
In diesem Moment
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